"Meine Mutter lag im Bett, vor Schmerzen gekrümmt, und schrie immer wieder: 'Durst. Durst. Durst.'"

"Ich erinnere mich noch genau an den Tag: Es war ein Mittwoch im Juli 2020. Das Coronavirus hatte Deutschland fest im Griff, die Pflegeheime versuchten alles, um die Bewohner vor dem Virus zu schützen. Seit zehn Tagen war meine Mutter hier, in diesem Pflegeheim in Starnberg, zur Kurzzeitpflege. Mein Bruder, mein Neffe und ich wechselten uns mit den Besuchen ab. Aber wegen Corona durften wir nicht täglich zu ihr. Wir machten uns große Sorgen um meine Mutter. Sie war 95 Jahre alt. Und seit sie in diesem Heim war, hatte sich ihr Zustand drastisch verschlechtert, von einen Tag auf den anderen. Vorher hatte sie noch gelesen und Schreibübungen gemacht. Jetzt wirkte sie geistig abwesend, müde und teilnahmslos. Vor ein paar Tagen hatte sie mich nicht mehr erkannt.

Pflege-Petition – für eine Pflege in Würde


"Am Ende hatte Frieda einfach Glück": Der Pflegekräftemangel gefährdete das Leben meiner Tochter

Als der Pfleger an diesem Nachmittag die Zimmertür öffnete, hörte ich, wie meine Mutter laut schrie. Sie lag im Bett, vor Schmerzen gekrümmt, und schrie immer wieder: "Durst. Durst. Durst". Ich alarmierte sofort die Pflegekräfte. Sie sagten, dass sie meiner Mutter bereits am Vormittag ein Abführmittel verabreicht hätten, weil sie einen Kotstau vermuteten. Doch ein Arzt wurde nur telefonisch um Rat gefragt – und das, obwohl meine Mutter schon seit zwei Tagen starke Schmerzen hatte. Mein Neffe hatte die Pflegekräfte mehrfach darauf aufmerksam gemacht. 

Ich war fassungslos. Ich gab meiner Mutter zu trinken und redete so lange auf die Pflegekräfte ein, bis sie endlich einen Rettungswagen riefen. Ins Krankenhaus durfte ich meine Mutter nicht begleiten – Corona. 

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Eine Dreiviertelstunde später bekam ich einen Anruf: Eine Ärztin aus der Notaufnahme war dran. Wir sollen sofort zum Krankenhaus kommen, sagte sie, meiner Mutter gehe es sehr schlecht, man müsse mit dem Schlimmsten rechnen. Mein Bruder und ich fuhren los. Im Krankenhaus trafen wir den Leiter der Notaufnahme. Der Arzt war entsetzt. Er stellte uns zur Rede. Er dachte, wir wären für den schlimmen Zustand meiner Mutter verantwortlich. Wir erklärten ihm, dass sie aus einem Pflegeheim eingeliefert worden war. "Ihre Mutter leidet unter einem sehr schweren Flüssigkeitsmangel", sagte er. Sie war völlig ausgetrocknet, ihre Zunge klebte am Gaumen fest, ihre Haut lag in tiefen Falten. Sie musste 15 Tage lang in der Klinik bleiben, wurde immer wieder untersucht, bekam zahlreiche Infusionen und Antibiotika wegen eines Harnwegsinfekts. Hätte ich meine Mutter an diesem Tag nicht besucht, wäre sie mutmaßlich gestorben. Es war Rettung in letzter Sekunde. 

Für mich stand fest: In dieses Pflegeheim kommt meine Mutter auf keinen Fall zurück! Ich hatte Angst, dass sie dort wieder nicht genug zu trinken bekommen würde. Pflegekräfte müssen dafür sorgen, dass alte Menschen genug Flüssigkeit zu sich nehmen. Gerade im Sommer. Aber dafür hatten die Pflegekräfte in diesem Heim offenbar keine Zeit. Dabei müssen Pflegekräfte Senioren nicht nur vor dem Coronavirus schützen, sondern auch vor dem Verdursten!"

*Name geändert. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.

Über die Aktion:

Es geht um Ihre Kinder, Eltern und Großeltern, um unser aller Zukunft. Wir brauchen gute Pflege. Früher oder später. Deutschland altert schnell, und immer mehr Menschen sind im Alltag auf professionelle Pflege angewiesen. Doch in den Krankenhäusern, Heimen und bei den ambulanten Diensten herrscht ein enormer Pflegenotstand. Überall fehlen Pflegekräfte, weil die Arbeitsbedingungen schwer zumutbar sind und das Gehalt zu niedrig. Wir alle sind davon akut bedroht: Pflegekräftemangel führt zu schwereren Krankheitsverläufen, mehr Komplikationen und Todesfällen. Unsere Politiker:innen finden seit zwei Jahrzehnten keine wirksame Gegenmaßnahme. Es braucht einen ganz großen Wurf, um den Pflegekollaps noch aufzuhalten. Unser Umgang mit dem Thema Pflege entscheidet darüber, wie menschlich unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert bleibt.

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