Laxanzien, Loperamid oder eine App: Was hilft bei Reizdarm?

Das Reizdarmsyndrom gibt nach wie vor Rätsel auf. Ein so heterogenes Krankheitsbild in Bezug auf Art und Ausprägung der Symptome und klinischen Verlauf macht es schwierig, eine Patentlösung zu finden. Allen Patienten gemeinsam ist, dass sie durch gastrointestinale Beschwerden in ihrem Alltag beeinträchtigt werden. Nicht wenige entwickeln langfristig eine Depression. Behandelt wird je nach Beschwerdebild, eine kausale Therapie gibt es nicht. Auch eine App soll seit Neuestem helfen, den kapriziösen Darm in den Griff zu kriegen. Hier ein Überblick über alle Optionen. 

Das Reizdarmsyndrom kann mit chronischen Bauchschmerzen, Unwohlsein, Blähungen, Verstopfungen und/oder Durchfall einhergehen. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose. Bisher sind keine Biomarker bekannt, die generell eine Positivdiagnose „Reizdarmsyndrom“ ermöglichen. Betroffene haben in der Regel eine Odyssee von Arztbesuchen und Tests hinter sich, ehe sie wissen, woran sie sind. Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie liegt ein Reizdarmsyndrom (RDS) vor, wenn folgende drei Punkte erfüllt sind: 
1. Es bestehen chronische, d. h. länger als 3 Monate anhaltende oder rezidivierende Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patienten und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen. 
2. Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt und so stark sein, dass die Lebensqualität hierdurch relevant beeinträchtigt wird. 
3. Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, welche wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind. Letzterer Punkt betrifft beispielsweise schwerwiegende Erkrankungen wie kolorektales Karzinom, Ovarialkarzinom, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Zöliakie.

Störung der Darm-Hirnachse

Die zugrundeliegende Pathophysiologie ist noch immer nicht geklärt. Heute wird RDS als Störung der Darm-Hirnachse angesehen. Motilitätsstörungen, ein gestörter Gallensäuremetabolismus und eine viszerale Hypersensitivität sind ebenso relevante Faktoren wie der hormonelle Status, eine reduzierte parasympathische Aktivität sowie eine genetische Prädisposition. Es besteht Konsens darüber, dass auch vorangegangene Antibiotika-Therapien Auslöser eines RDS sein können. Betroffene weisen gegenüber gesunden Kontrollen eine veränderte Darmflora auf. Eine wichtige Rolle spielt auch das erlernte Krankheitsverhalten (learned Illness Behavior), zum Beispiel wie Körperwahrnehmungen als „problematische Symptome“ interpretiert werden. 

Keine Standardtherapie bekannt

Da eine klar umrissene Ursache bisher nicht gefunden werden konnte, ist eine kausale Behandlung des Reizdarmsyndroms aktuell nicht möglich. Die Therapie richtet sich nach den Hauptsymptomen: Schmerz, Obstipation, Durchfall. Die S3-Leitlinie fasst die derzeitige Evidenz verfügbarer medikamentöser Ansätze zusammen. Bis ein wirksames und zugleich gut verträgliches Arzneimittel gefunden wurde, müssen oft verschiedene Optionen ausprobiert werden. Das erfordert Zeit und nicht zuletzt Geld, da längst nicht alle Therapieoptionen verordnungsfähig sind.

Diarrhoe

Gegen Durchfall empfiehlt die Leitlinie eine Therapie mit löslichen Ballaststoffen, Loperamid oder Colestyramin, eventuell auch Colesevelam. Von Racecadotril nimmt man aufgrund fehlender Evidenz bisher noch Abstand. In ausgewählten Einzelfällen können Eluxadolin oder 5-HT3-Antagonisten („Setrone“) erwogen werden.

Obstipation

Steht das Symptom Verstopfung im Vordergrund der Beschwerden, sind (lösliche) Ballaststoffe und Laxantien vom Macrogol-Typ erste Wahl. Andere Laxantien kommen je nach individueller Verträglichkeit in Betracht. Für Personen, die nicht auf konventionelle Laxantien ansprechen oder diese nicht vertragen, bietet der 5-HT4-Agonist Prucaloprid möglicherweise einen Ausweg. Explizit zugelassen zur Therapie des Reizdarmsyndroms vom Obstipation-Typ ist der Guanylatzyklase-C-Agonist Linaclotid, der insbesondere bei begleitenden Bauchschmerzen und Blähungen indiziert ist.

Bauchschmerzen und -krämpfe

Neben Linaclotid und den üblichen Spasmolytika hat sich zur Behandlung von krampfartigen Schmerzen Pfefferminzöl in Form magensaftresistenter Kapseln empfohlen, zumindest mit kurzfristiger Wirkung. Periphere Analgetika (z.B. Paracetamol, Ibuprofen, Metamizol) sollten dagegen ebenso wenig eingesetzt werden wie Opioide oder Pregabalin. Bei psychischer Komorbidität sind Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Duloxetin eine Option. Auch das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin zeigt sich in der Therapie von Schmerzen und globaler Symptomatik (außer Obstipation) wirksam.

Blähungen

Auch bei Flatulenz genießt Linaclotid das größte Vertrauen der Leitlinienautoren. Von entschäumenden Substanzen wie Simetikon oder Dimetikon halten sie dagegen nichts.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen