Israel kämpft gegen Anstieg: Immer mehr Schüler und Geimpfte infizieren sich mit Delta-Variante
Israel galt als Impfweltmeister bei der Bekämpfung des Coronavirus. Doch binnen der letzten Tage hat sich die Situation im Land drastisch verschlechtert. Immer mehr ungeimpfte Kinder sowie geimpfte Erwachsene infizieren sich mit der Delta-Variante des Virus. Als Reaktion verschärft die Regierung nun die Regeln – und will die Kinderimpfungen vorantreiben.
Israels erfolgreiche Impfkampagne ermöglichte der Bevölkerung schon im Frühjahr eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. Im März öffneten dort bereits Cafés, Schulen und Restaurants, während in Deutschland noch lange kein Lockdown-Ende in Sicht war. Es lief sogar so gut, dass die Regierung das eigens etablierte Corona-Kabinett auflöste.
Doch in den letzten Tagen hat sich die Lage in Israel um 180 Grad gewendet. Das Corona-Kabinett musste wieder einberufen, das Kontaktverfolgungssystem wieder hochgefahren werden – denn die in Indien entdeckte und besonders anssteckende Delta-Variante des Coronavirus ist derzeit landesweit auf dem Vormarsch.
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Ministerpräsident Bennett spricht von "neuem Ausbruch" des Coronavirus
Am Donnerstag lag die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen den vierten Tag in Folge über 100 – das erste Mal seit zwei Monaten. Die Zahl der Neuinfektionen war zuvor unter zehn gesunken. Die meisten Neuninfektionen stehen nach offiziellen Angaben in Verbindung mit der Delta-Variante des Virus. Deswegen hat Israel die geplante Öffnung seiner Grenzen für alle Touristen verschoben. Die Einreise von Individualtouristen sei nun erst einen Monat später ab dem 1. August möglich, teilte das Tourismusministerium am Mittwoch mit.
Ministerpräsident Naftali Bennett sprach sogar von einem "neuen Ausbruch" des Coronavirus im Land. Neu ist nicht nur die Virus-Variante, sondern vor allem auch die Betroffenen. Denn besonders jüngere Menschen infizieren sich derzeit. Foto: Gil Cohen Magen/XinHua/dpa Schülerinnen und Schüler vor einer Schule in Modi’in.
Befürchtungen bewahrheiten sich: Delta-Variante breitet sich unter ungeimpften Schülern aus
Rund die Hälfte der Neuinfizierten seien Schüler, gab das Gesundheitsministerium bekannt. An knapp 30 Schulen im Zentrum des Landes wurden lokale Ausbrüche gemeldet. Mehr als 6000 Schüler und 100 Lehrer wurden aufgefordert, sich zu isolieren. Der derzeitige Ausbruch gehe scheinbar auf Reisende zurück, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind und sich nicht an die Quarantänepflicht gehalten haben, sagte Chezi Levi, der Generaldirektor des israelischen Gesundheitsministeriums.
Modellierer hatten befürchtet, dass die Variante sich bei ungeimpften Schülern ausbreitet, wenn die Schulen zum Präsenzunterricht ohne Schutzmaßnahmen zurückkehren sollten. Das dürfte angesichts der derzeit häufigen Forderung, Schulen in der Pandemie offen zu halten, einen Konflikt bedeuten. Weil sich zahlreiche Schüler mit der Delta-Variante infiziert hatten, musste in zwei israelischen Ortschaften die Maskenpflicht für Schüler wieder verhängt werden, nachdem sie wenige Tage zuvor aufgehoben worden war. Regierungschef Bennett kündigte zudem landesweit an, dass das Tragen einer Maske in geschlossenen Räumen wieder obligatorisch werde, falls eine Woche lang täglich mehr als 100 Corona-Neuinfektionen registriert würden.
Foto: dpa Ein Impfzentrum in Israel.
"Game-Changer": Delta betrifft auch geimpfte Erwachsene
Doch nicht nur ungeimpfte Schüler sind betroffen. Besorgniserregend ist auch, dass zwischen 40 und 50 Prozent der Neuinfizierten bereits vollständig geimpft sind, so berichtete es das israelische Gesundheitsamt. Mehr als 55 Prozent der Bevölkerung Israels sind bereits vollständig gegen Corona geimpft. Dies ist auf die Ende Dezember gestartete großangelegte Impfkampagne zurückzuführen, die durch ein Abkommen über einen Datenaustausch mit den Impfstoffherstellern Biontech/Pfizer ermöglicht wurde. Dabei verpflichtete sich Israel, gegen eine bevorzugte Belieferung mit Impfstoff rasch Informationen über dessen Wirksamkeit weiterzugeben.
"Die Delta-Variante ist ein Game-Changer", sagte nun jedoch Gabi Barbash, ehemaliger Direktor im Gesundheitsministerium. "Sie betrifft ungeimpfte Kinder und sogar geimpfte Erwachsene." Der Schutz des Vakzins von Biontech liegt laut aktuellen Studien bei einer vollständigen Impfung bei 88 Prozent gegen die Delta-Variante. Gegen die Alpha-Variante sind es 93 Prozent. Die vollständige Astrazeneca-Impfung bringt gegen die Delta-Variante einen 60-prozentigen Schutz, gegen die Alpha-Variante sind es dagegen 66 Prozent.
Impfkampagne für Kinder und Jugendliche wird ausgebaut
Als Reaktion auf die steigenden Infektionszahlen unter Schülern, empfiehlt die israelische Regierung nun alle Kinder zwischen zwölf und 15 Jahren zu impfen. Zuvor hatten sich Experten eher zurückhaltend zur Impfung von Kindern geäußert: Schwere Verläufe unter Kindern und Jugendlichen seien selten, vielen Eltern schien das Risiko unbekannter Nebenwirkungen der Impfung größer. Der Anteil der geimpften Kinder und Jugendliche lag vor dem landesweiten Ausbruch bei lediglich vier Prozent.
Eine breit angelegte Kampagne soll nun den Anteil der geimpften Kinder und Jugendlichen erhöhen. In den vergangenen Tagen habe sich die Zahl der Impfterminbuchungen vervielfacht, heißt es von den zuständigen Krankenkassen.
"Wenn wir es schaffen, die Impfung der Kinder in den Sommerferien zügig voranzutreiben, haben wir gute Chancen, dass die Schulen im September wieder normal öffnen können", sagt Tzachi Grossman, Vorsitzender der Vereinigung der Kinderärzte. Ohne Impfung der Kinder hingegen werde man nicht zum Alltag zurückkehren können, ist er überzeugt.
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