Gemessene Viruslast ist nicht die einzige Determinante

Es ist eine der wichtigsten Fragen, wenn es um Strategien gegen die Corona-Pandemie geht: der Zusammenhang zwischen Viruslast und Ansteckungsgefahr. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des renommierten Berliner Virologen Christian Drosten hat nun die Ergebnisse der bisher größten Untersuchung von Viruslasten bei SARS-CoV-2 vorgelegt und daraus die Ansteckungsfähigkeit positiv getesteter Personen abgeschätzt.

Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin um Prof. Dr. Christian Drosten hat aus umfangreichen Daten von SARS-CoV-2-PCR-Testungen wertvolle neue Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen in der Corona-Pandemie gewonnen. Ebenfalls an der Untersuchung beteiligt waren Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), Forscher der University of Cambridge, des Norwegian Institute of Public Health, der University of Oslo, der Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sowie vom Labor Dr. Krause und Kollegen MVZ GmbH. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht.

Viruslast in 25.000 Proben gemessen

Basierend auf dem R-Wert des neuartigen Coronavirus steckt eine mit SARS-CoV-2 infizierte Person im Schnitt etwa drei bis fünf andere Menschen an. Das ist zwar eine wichtige Erkenntnis, aber daraus lässt sich nicht ableiten, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung im individuellen Fall oder in bestimmten Bevölkerungsgruppen ist. Das macht das Kontaktgeschehen in der Pandemie so unberechenbar. Der Frage, wer warum und wann mehr oder weniger ansteckend sein könnte, wollten die Berliner Wissenschaftler und ihre Kollegen aus Großbritannien und Norwegen näher auf den Grund gehen. 
Zunächst ermittelten sie hierzu für mehr als 25.000 COVID-19-Fälle die Viruslast, gemessen als Anzahl der Erbgutkopien von SARS-CoV-2 in den PCR-Proben. Diese repräsentieren näherungsweise die Virusmenge im Rachen der Patienten und erlauben deshalb Voraussagen über deren potenzielles Ansteckungspotential. Um die Infektiosität noch besser abschätzen zu können, stellten sie die Viruslast in Zusammenhang mit Erkenntnissen darüber, ab welcher Viruslast typischerweise eine Anzucht von SARS-CoV-2 im Labor gelingt, also vermehrungsfähiges Virus in der Probe nachweisbar ist (Kulturwahrscheinlichkeit). Aus diesen Zellkulturstudien leiteten sie die geschätzte Infektiositätswahrscheinlichkeit ab.  

Kleine Kinder haben deutlich geringere Viruslasten

Die Analyse nach Altersgruppen zeigte bei SARS-CoV-2-Infizierten zwischen 20 und 65 Jahren keine nennenswerten Unterschiede in der Viruslast: Im Schnitt enthielten deren Rachen-Abstriche rund 2,5 Millionen Kopien des SARS-CoV-2-Erbguts. In den Proben der jüngsten Kinder bis zu fünf Jahren waren die Viruslasten mit etwa 800.000 Erbgutkopien am niedrigsten. Bei älteren Kindern und Jugendlichen glichen sie sich mit steigendem Alter an die der Erwachsenen an. Das ist aber mit Blick auf die Infektiosität noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss, denn hier spielen noch andere Faktoren eine Rolle.

Kleinere Tupfer, niedrigere Viruslast

So hängt die niedrigere Viruslast bei Kindern Drostens Meinung nach auch mit der unterschiedlichen Probennahme bei Kindern und Erwachsenen zusammen. Zum einen würden bei Kindern kleinere Abstrichtupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial in die PCR-Testung einbringen. Zum anderen würden bei ihnen statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche oft einfache Rachenabstriche gemacht, in denen sich noch mal weniger Virus finde. Deshalb seien bei Kindern mit gleicher Virusvermehrung von vorn herein geringere Viruslast-Messwerte in der PCR zu erwarten, so seine Schlussfolgerung.

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