Doxylamin und Diphenhydramin: Was ist das Problem bei Älteren?

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hat sich dafür ausgesprochen, die H1-Antihistaminika Diphenhydramin und Doxylamin zur Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen ab dem 65. Lebensjahr der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Doch warum sind die Wirkstoffe in dieser Altersgruppe so kritisch?

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht befasst sich schon seit einer Weile mit den sedierenden Antihistaminika der 1. Generation. Im Sommer hatte er allerdings einen Antrag, die ganze Gruppe für Patienten über 65 Jahren der Rezeptpflicht zu unterstellen, abgelehnt. Gleichzeitig wurde aber beschlossen, sich weiter damit zu befassen, allerdings unter Berücksichtigung der betreffenden Einzelsubstanzen. Das ist nun geschehen: Bei der Sitzung vergangene Woche stand die „Überprüfung der Verkaufsabgrenzung bei Patienten über 65 Jahren“ wieder auf der Tagesordnung, nun aber wie angekündigt „unter Berücksichtigung der Einzelsubstanzen“, nämlich Diphenhydramin und Doxylamin, also die sedierenden Antihistaminika der ersten Generation, die vornehmlich bei Schlafstörungen zum Einsatz kommen. Und die möchte der Sachverständigenausschuss tatsächlich bei Älteren nicht mehr in der Selbstmedikation sehen. Die hauptsächlich in anderen Indikationen eingesetzten Wirkstoffe dieser Gruppe, wie das ausschließlich als Antiallergikum verwendete Diemetinden (Fenistil®), haben die Experten offensichtlich zumindest derzeit nicht auf der Agenda.

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Doch was macht die „alten“ Antihistaminika eigentlich so kritisch, insbesondere in der Indikation Schlafstörungen? Der Sachverständigenausschuss hat bislang keine Gründe veröffentlicht. Doch vieles lässt sich mit einem Ausflug in die Pharmakologie der H1-Antihistaminika erklären.

Ihr Target, die H1-Rezeptoren, kommen im Körper sowohl in der Peripherie als auch im ZNS vor. In der Peripherie verursacht deren Aktivierung durch Histamin eine Kontraktion der glatten Muskulatur (Bronchien), Vasodilatation einhergehend mit einer Permeabilitätserhöhung kleinerer Blutgefäße und eine Stimulation afferenter Neuronen, woraus unter anderem der Juckreiz resultiert – also die bekannten Symptome einer allergischen Reaktion. Die H1-Rezeptoren im ZNS induzieren eine Steigerung des Wachzustandes sowie Brechreiz. Antagonisiert man also sowohl zentrale als auch periphere H1-Rezeptoren, ruft das sowohl antiallergische, juckreizstillende und entzündungshemmende Effekte, aber auch zentral sedierende sowie antiemetische Wirkungen hervor.

Im Gegensatz zu den neueren Substanzen zeichnen sich die Antihistaminika der ersten Generation durch eine hohe Lipophilie und in der Folge durch ZNS-Gängigkeit aus. Diese führt dazu, dass die zentralen Wirkungen (insbesondere die Sedierung) die klassischen antiallergischen Eigenschaften dieser alten Wirkstoffe überdecken. Daher wurden aus den ursprünglich unerwünschten Nebenwirkungen die Hauptindikationen – heutzutage werden die Antihistaminika der ersten Generation hauptsächlich gegen Einschlafstörungen und Erbrechen eingesetzt. Neben den Histaminrezeptoren haben einige Wirkstoffe aber unter anderem auch eine hohe Affinität zu Muscarinrezeptoren, was ihre anticholinerge Wirkung erklärt. Man unterscheidet dabei periphere anticholinerge Nebenwirkungen (wie Miktionsbeschwerden, Mundtrockenheit, Mydriasis, Obstipation) von zentralen (wie Agitiertheit, Halluzination, Kognitionseinschränkung, Schläfrigkeit, Schwindelgefühl, Verwirrung). 

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