Bayern in der Virus-Krise: Freistaat verhängt landesweit Ausgangsbeschränkungen

Katastrophenfall und Ausgangsbeschränkungen gelten jetzt in ganz Bayern – um gegen das Coronavirus zu kämpfen. Die Wirtschaft soll mit Milliarden am Leben gehalten werden, Abi-Prüfungen wurden verschoben.

Bayern macht Ernst: Im Freistaat werden wegen der weiteren Ausbreitung des Coronavirus und steigenden Fallzahlen ab diesem Freitagabend Ausgangsbeschränkungen für zunächst zwei Wochen verhängt. Das hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag verkündet. Ab 0 Uhr soll die Verordnung in ganz Bayern in Kraft treten.

Ausgangssperre in Bayern verordnet: Das gilt nun

Das Verlassen der eigenen Wohnung ist in Bayern ab Samstag, 0 Uhr, nur noch bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Dazu zählen unter anderem:

  • der Weg zur Arbeit
  • notwendige Einkäufe in Supermärkten und Drogerien,
  • Arzt- und Apothekenbesuche
  • Hilfe für andere Menschen
  • Besuche von Lebenspartnern, Alten, Kranken oder Menschen mit Einschränkungen (außerhalb von Einrichtungen) und die Wahrnehmung des Sorgerechts im jeweiligen privaten Bereich
  • Sport wie bspw. Joggen und Bewegung an der frischen Luft
  • Begleitung Sterbender sowie Beerdigungen im engsten Familienkreis
  • Handlungen zur Versorgung von Tieren

All dies ist aber nur alleine oder mit den Personen erlaubt, mit denen man zusammenlebt.

Verboten ist ab Samstag, 0 Uhr, in Bayern:

  • Geschäfte wie Baumärkte und Friseure dürfen nicht mehr öffnen
  • Öffnung von Restaurants und Gaststätten untersagt; Ausnahmen bilden Drive-in/To-go-Lokale
  • Treffen mit Freunden auf öffentlichen Plätzen, Straßen und in Parks verboten
  • Sport und Spaziergänge im Freien sind in Gruppen oder mit Menschen, mit denen man nicht zusammenlebt, verboten

"Wir müssen versuchen, die Welle der sprunghaften Infektionen zu brechen", begründete Söder die Ausweitung der Einschränkungen. Wer gegen die Vorgaben verstoße, müsse mit hohen Bußgeldern rechnen.

Mehr zum Thema finden Sie hier:  Ausgangssperre: Einkaufen, Joggen, Gassi gehen – was Bürger beachten müssen

Am Mittwoch hatte das Landratsamt Tirschenreuth wegen der Verbreitung des Coronavirus für die bayerische Stadt Mitterteich bereits eine sofortige Ausgangssperre verhängt. Es war die erste Stadt in Bayern mit einer solchen Maßnahme.

Nach Angaben der Stadt informierte die Feuerwehr die Bürger mittels Durchsagen. Zusätzlich sollen vom Landratsamt Flugblätter verteilt werden. In der 6500-Einwohner-Stadt in der Oberpfalz dürfen die Menschen – wie nun in ganz Bayern – ihre Wohnungen nur noch zum Einkaufen, für Arztbesuche und die Arbeit verlassen.

Passierschein ist nicht nötig

Trotz der weitreichenden Ausgangsbeschränkungen in Bayern inklusive Polizeikontrollen brauchen die Menschen im Freistaat keine Passierscheine, um sich draußen zu bewegen. Das sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Samstagmorgen dem Radiosender Antenne Bayern in Ismaning bei München.

Hilfreich sei aber, wenn man sich ausweisen und nachvollziehbar begründen könne, warum man auf welchem Weg sei. Wenn jemand von seinem Arbeitgeber eine Bescheinigung bekommen könne, sei das gut. "Wenn nicht, geht die Welt – glaub' ich – nicht unter", sagte der CSU-Chef. "Im Zweifel hat die Polizei ein gutes Gespür dafür, wie ernst und wie ehrlich das ist."

Diese weiteren Maßnahmen gibt es nun in Bayern:

Bayern: Schulen, Kindergärten, Kitas und Hochschulen geschlossen

Seit Montag, 16. März, sind alle Schulen, Kindergärten und Kitas dicht – bis zum Beginn der Osterferien am 6. April. Damit werden in Bayern faktisch bis zum 20. April die Bildungseinrichtungen geschlossen.

Es tritt ein Notfallplan für die Betreuung bestimmter Kinder in Kraft: "Wir werden eine Betreuung sicherstellen für Eltern, die in systemkritischem Berufen tätig sind", so Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler).  Welche Berufe in Bayern als "systemkritisch" definiert sind, erklärt das Bildungsministerium hier.

Auch werden die Semesterferien an Hochschulen um mehrere Wochen verlängert: Bis zum 20. April sind alle Lehrveranstaltungen abgesagt.

Corona-Soforthilfe: Steuerzahlungen bis Jahresende zinsfrei stunden

Wer in Bayern aufgrund der Coronavirus-Krise in finanzielle Schieflage geraten ist, kann ab sofort fällige Steuerzahlungen zinsfrei stunden. Finanzminister Albert Füracker (CSU) setzte die steuerliche Hilfsmaßnahme im Vorgriff auf eine bundesweite Regelung in Kraft. "Schnelle und möglichst unbürokratische Hilfen für unmittelbar Betroffene sind das Gebot der Stunde", sagte er."Dies gilt auch für den Bereich der Steuern."

Wer seine Steuern aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie nicht zahlen kann, kann bis zum Jahresende entsprechende Anträge auf Stundung stellen. Dies betrifft sowohl die Einkommen- und Körperschaftsteuer als auch die Umsatzsteuer. Zudem kann auf Antrag auch die Höhe der Vorauszahlungen angepasst werden.

Bei unmittelbarer Betroffenheit werde der Freistaat grundsätzlich bis zum Ende des Jahres von Vollstreckungsmaßnahmen absehen, heißt es weiter. Auch auf gesetzlich anfallende Säumniszuschläge solle in dieser Zeit verzichtet werden. Sollten Steuererklärungen wegen der Coronakrise nicht fristgerecht eingereicht werden können, würden die Finanzämter großzügig und möglichst unbürokratisch Fristverlängerungen ermöglichen, sagte Füracker.

Notfalls Beschlagnahmungen

Der bereits ausgerufene Katastrophenfall werde ergänzt um Katastrophenstab in der Staatskanzlei, kündigte Söder am Dienstag an. "Wir stellen 400 Leute in den Gesundheitsbehörden an." Die Personen sollen aus anderen Verwaltungen kommen. Dies sei wichtig, um Entlastungen für die Gesundheitsämter zu schaffen.

Die Universitätskliniken würden ab sofort nicht mehr forschen, sondern nur noch versorgen. Um genügend Material vorrätig zu haben, sollten notfalls auch Beschlagnahmungen stattfinden können, so Söder. Innenminister Joachim Herrmann hatte bereits am Vortrag erklärt, dass das Ausrufen des Katastrophenfalls Beschlagnahmungen ermögliche – etwa von Schutzausrüstungen oder Medikamenten. dpa Markus Söder (l, CSU), Ministerpräsident von Bayern, und Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, gehen gemeinsam zur Sitzung des bayerischen Kabinetts in der Staatskanzlei

Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro zum Schutz der Wirtschaft

Zum Schutz der Wirtschaft vor den nicht ansatzweise absehbaren Folgen der Corona-Krise stellt Bayern ab sofort auch ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro bereit. "Die Lage ist sehr ernst und verändert sich täglich, leider nicht zum Guten", betonte Söder.

Um die Geldmittel bereitstellen zu können, soll die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für zunächst ein Jahr außer Kraft gesetzt werden. Schon am Donnerstag wird sich der Landtag mit dem Thema befassen. Längst sei klar, dass die Folgen der Corona-Pandemie größer seien, als bei der Finanzkrise. Unternehmen drohten massivste Umsatzeinbußen, dem Staat gingen Steuereinnahmen verloren.

Der Zehn-Milliarden-Euro-Schutzschirm soll der Wirtschaft unter anderem spezielle Bürgschaftsrahmen und finanzielle Soforthilfen von 5000 bis 30 000 Euro ermöglichen. "Wir werden keinen hängen lassen", sagte Söder. Priorität habe der Erhalt der Liquidität von Unternehmen und auch von Kulturschaffenden. Um Unternehmen mehr Spielräume zu geben, seien auch Steuerstundungen möglich.

Schulen, Kindergärten und Freizeiteinrichtungen in Bayern geschlossen

Einen Tag nach Schulen und Kindergärten sind seit dem 17. März in Bayern auch praktisch alle Freizeiteinrichtungen wegen des Coronavirus geschlossen. Um die rasante Ausbreitung des Virus zu bremsen, hatte die Staatsregierung die Maßnahmen beschlossen.

Konkret gilt dies für alle Schwimmbäder, Saunen, Thermen, Kinos, Tagungs- und Veranstaltungsräume, Clubs, Bars und Diskotheken, Spielhallen, Theater, Museen, Bibliotheken, Vereinsräume, Bordelle, Sporthallen, Fitnessstudios, Tierparks, Aus- und Fortbildungseinrichtungen, Musik- und Volkshochschulen sowie Jugendhäuser. Auch Sport- und Spielplätze sind bis 19. April zu.

Das Geld für bereits gekaufte Eintrittskarten werde man erstatten, sagte Kunstminister Bernd Sibler (CSU). Allein für die Opern rechne man mit Kosten von rund vier Millionen Euro.

Die Bayerische Staatsoper will während der Schließung ausgewählte Stücke trotzdem auf die Bühne bringen – vor leeren Rängen. Zuschauer könnten die Aufführungen live übers Internet verfolgen, sagte ein Sprecher am Dienstag in München. Auch viele andere Häuser und Kultureinrichtungen in Bayern sind in nächster Zeit dicht. So entschied die Stadt München am Dienstag, die Philharmonie, die Kammerspiele, das Volkstheater und das Deutsche Theater zu schließen.

Öffnungszeiten von Supermärkten, Drogerien und Apotheken ausgeweitet

Um die Grundversorgung mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Produkten sicherzustellen, weitet Bayern aber die Ladenöffnungszeiten für bestimmte Geschäfte aus: Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Tankstellen, Banken und einige weitere Geschäfte dürfen unter der Woche nun bis 22.00 Uhr öffnen und auch sonntags geöffnet haben.

Ab Mittwoch werden ausgewählte Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung notwendig sind, geschlossen. Auch Friseure und Baumärkte dürfen ab Samstag nicht mehr öffnen.

Surftipp: FOCUS Online hat nachgefragt – Neue Öffnungszeiten bei dm, Aldi oder Rewe? Wann Sie im Supermarkt einkaufen können

Restaurants in Bayern geschlossen

Ab Samstag (21.03.2020) müssen in Bayern Restaurants und Biergärten schließen. Take-away-Angebote sollen demnach aber weiter möglich sein.

Alle Entwicklungen zum Coronavirus lesen Sie im News-Ticker von FOCUS Online.

Bayern verschiebt Abitur in den Mai – auch weitere Abschlussprüfungen verschoben

Wegen des Coronavirus wird in Bayern der Beginn der Abiturprüfungen vom 30. April auf den 20. Mai 2020 verschoben. Das teilte das Kultusministerium am Mittwoch in München mit.

Der Katastrophenfall, der seit dieser Woche gilt, gebe der Staatsregierung umfangreiche Steuerungs-, Eingriffs- und Durchgriffsmöglichkeiten. Bei der Ansteckungsgeschwindigkeit müsse Zeit gewonnen werden, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.

Als Grund für die Ausrufung nannte Söder zu dem Zeitpunkt der Bekanntmachung die Tatsache, dass im Land die Infektionsketten nicht mehr nachvollzogen werden könnten. "Das heißt, es beginnt eine exponentielle Entwicklung." Um die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 wieder zu verlangsamen, müssten soziale Kontakte weitmöglichst gemieden und das öffentliche Leben verlangsamt werden. "Klar ist, es werden Menschen sterben."

Auch Abschlussprüfungen anderer Schularten werden in Bayern verschoben. Es gehe dabei um Mittelschulen, Realschulen und Wirtschaftsschulen, teilte das Kultusministerium in München mit. Der mit Lehrkräften, Eltern, Schülern und Direktoren abgestimmte Plan sieht vor, den Start der Prüfungen um 14 Tage nach hinten zu verschieben. Auch die zentralen mündlichen Prüfungen der Realschüler in den Fremdsprachen sollen verlegt werden. Eine Ausnahme gibt es an den Mittelschulen für das Fach Muttersprache, wo es bei den bisherigen Terminen bleibt. Entlassen werden sollen die Absolventen dann am letzten Schultag vor den Sommerferien.

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