Virologe über Coronavirus: "Wir müssen damit rechnen, dass solche Erreger im Land sind"
Der Virologe Alexander Kekulé von der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg hat vor einem sorglosen Umgang mit möglichen Coronavirus-Verdachtsfällen in Deutschland gewarnt. Was in Norditalien passiert sei, hätte ganz genau so „überall in Deutschland“ passieren können. „Wir sind da kein Stück besser vorbereitet als die Italiener“, sagte Kekulé gestern Abend im Gespräch mit den Tagesthemen.
Ein Problem in Italien sei demnach gewesen, dass erste Coronafälle als normale Erkältungen oder Grippe klassifiziert wurden – selbst in Krankenhäusern. Erst nachdem es zu einer Häufung von Krankheitsfällen gekommen sei, habe man auf das Coronavirus getestet. „Das ist auf jeden Fall zu spät passiert und ich möchte auf keinen Fall, dass wir in Deutschland in eine ähnliche Situation kommen“, sagte Kekulé.
Auf die Frage, ob es bereits weitere Infektionsherde in Deutschland geben könnte, sagte er: „Das ist nicht auszuschließen, aber nicht sehr wahrscheinlich.“ Bei größeren Infektionsherden mit mehr als 50 Infizierten, müsste es mindestens einen oder zwei Schwerkranke geben. „Die würden wir früher oder später feststellen“, so der Virologe.
Virologe fordert mehr Tests auf das Coronavirus
Vor allem die Bemühungen um eine frühzeitige und „flächendeckende“ Diagnostik sollten in Deutschland verstärkt werden. Menschen mit Grippe oder schweren Erkältungssymptomen müssten automatisch auf das Coronavirus getestet werden, forderte Kekulé. „Das ist die einzige Möglichkeit, quasi ein Netz über Deutschland zu legen und so einen einzelnen Fall oder einen kleineren Ausbruch frühzeitig zu erkennen.“ Bei Ausbrüchen mit 20 bis 30 Fällen könne die deutschen Gesundheitsämter effektiv vorgehen, Kontakte nachverfolgen und „die glimmende Zigarette austreten bevor sie einen Waldbrand verursacht“, so Kekulé. „Wenn wir aber 100, 200, 300 Fälle haben und es zu spät merken, dann sind auch die deutschen Gesundheitsbehörden sehr schnell überfordert.“
Der Virologe warnte auch vor fehlenden Kapazitäten in deutschen Kliniken. Bei einem größeren Ausbruch müssten auch normale Kliniken die Betreuung von Patienten übernehmen, nicht nur Krankenhäuser mit speziellen Infektionszentren. Das Personal in Kliniken sei besonders gefährdet. „Es gibt keine Impfung, keine natürliche Immunität“, so Kekulé. Krankenhäuser müssten ihre Mitarbeiter schulen, damit diese sich effektiv vor einer Ansteckung schützen könnten.
Fragen und Antworten
Coronavirus: Kommt es zu Grenzschließungen für Reisende?
Nach Meinung des Virologen sei das Virus gefährlicher als herkömmliche Grippeviren. „Da widerspreche ich auch ganz klar den Gesundheitsbehörden in Deutschland“, wird Kekulé von „Tagesschau.de“ zitiert. Die Sterblichkeitsquote liege bei 0,5 bis einem Prozent – die der Grippe bei 0,1 Prozent. Die Anzahl der Erkrankten durch das Coronavirus sei jedoch überall deutlich niedriger als bei der Grippe.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass etwa 0,3 bis 1 Prozent aller mit dem Coronavirus Infizierten sterben. Damit liegt die Sterberate deutlich unter der verwandter Erkrankungen wie Sars oder Mers. Die Sterberate durch das Coronavirus ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings schwer zu bestimmen, da Experten von einer hohen Dunkelziffer bei den Infektionen ausgehen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Sterberate möglicherweise zu hoch angesetzt ist.
Hoffnung Frühjahr
Maßnahme wie das Schließen der Grenze zu Italien bezeichnete Kekulé dagegen als „sinnlos“. Es gebe viele Wege, auf denen Erreger wie das Coronavirus nach Deutschland gelangen können. „Wir müssen damit rechnen, dass solche Erreger im Land sind und wir müssen sie im Land feststellen können.“
Hoffnung bereite das nahende Frühjahr. Die meisten Erkältungsviren verschwinden mit steigender Außentemperatur. So könne es durchaus sein, „dass die Welle abschwappt, bevor sie in Deutschland richtig zuschlägt“, erklärte Kekulé.
Neu in Gesundheit
Coronavirus
Hunderte sitzen in Hotel auf Teneriffa fest +++ zwei positive Corona-Tests in Tirol
stern Reisewelten
Westeuropa Kreuzfahrt ab Hamburg mit All Inclusive ab 499 Euro
Gefahr durch Covid-19
Warum mehr Männer am Coronavirus sterben als Frauen
Gesundheitsminister
Spahn zu Coronavirus: Möglich wenig ins Gesicht fassen
Angst vor Corona-Infektion
Das Virus lässt sich kaum noch eindämmen, sagen Experten. Wie groß ist die Ansteckungsgefahr bei uns?
Smartes Design
Frau erfindet Atemschutzmaske für Gesichtserkennung
Personalisierte Medizin
Warum Pharmafirmen an unsere Daten wollen – und welche Risiken das birgt
Nachfrage wegen Coronavirus
Deutschlands Apotheken gehen Schutzmasken aus – warum das jedoch kein Grund zur Panik ist
Hautpflege
Reichhaltige Pflege: Welche Gesichtsöle eignen sich für welche Hauttypen?
Covid-19-Ausbruch
Der Coronavirus greift um sich. Italien reagiert mit drastischen Maßnahmen
Drastische Maßnahmen angekündigt
Coronavirus: Italien will wegen Infektionsgefahr ganze Städte abriegeln
Psyche
Angst vor dem Telefonieren: Was Menschen mit der Phobie hilft
Cross Tapes
Akupunktur ohne Nadeln: Gitterpflaster versprechen Schmerzlinderung
Geschlecht von Kindern
Liegen Jungs oder Mädchen "in der Familie"? Studie räumt mit altem Mythos auf
Hautunreinheiten
Warum Zinksalbe gegen Pickel wirklich helfen kann
Neuartige Lungenkrankheit
"China ist wahrscheinlich der Krisenherd": Studie sagte Epidemie mit neuem Coronavirus voraus
Influenza
Grippewelle in Deutschland: Sehen Sie hier, wo die Ansteckungsgefahr aktuell am größten ist
Covid-19
Coronavirus: Zwei Passagiere der "Diamond Princess" gestorben
Hautklar
Mitesser entfernen – so wird Ihre Haut wieder porenrein
Manipulation des Gehirns
Wer viel Fast Food isst, ist nie wirklich satt
Kölner Karneval
Hochsaison für Jecken und Viren: Diese Hygiene-Tipps sollen Feiernde schützen
Quelle: Den ganzen Artikel lesen