Am Kopf zusammengewachsen: Britische Ärzte trennen siamesische Zwillinge Safa und Marwa

Zainab Bibi wusste, dass sie Zwillinge erwartete und dass die Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit eine Fehlbildung hatten. Doch was den Kindern genau fehlte, wusste die siebenfache Mutter aus Pakistan nicht. Die Familie durchlebte eine schwierige Zeit: Zwei Monate vor der Geburt starb Zainab Bibis Mann und Vater der Kinder an einem Herzinfarkt.

Safa und Marwa kamen am 7. Januar 2017 in einem pakistanischen Krankenhaus per Kaiserschnitt auf die Welt. Die Mutter sah die Mädchen zunächst nicht, sie musste sich von dem Eingriff erholen. Fünf Tage später bekam sie ein Foto ihrer Kinder gezeigt, um sie schonend auf die Fehlbildung vorzubereiten. Zainab Bibi erinnert sich noch gut an diesen Moment und sagt, sie habe sich sofort in die Mädchen verliebt. „Sie sahen sehr schön aus und hatten hübsches Haar und eine helle Haut“, wird sie von der „BBC“ zitiert. „Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, dass sie zusammengewachsen waren. Sie sind von Gott gegeben.“

Britische Ärzte bieten Hilfe an

Die Mädchen werden nach einem Monat aus dem Krankenhaus entlassen. Die Familie willigt ein, die Kinder operativ voneinander trennen zu lassen, sofern die Möglichkeit dazu besteht. Ein Militärkrankenhaus bietet der Familie Hilfe an, betont aber, dass eines der Mädchen bei dem Eingriff womöglich sterben würde. Die Mutter lehnt das Angebot ab.

Es ist der britische Neurochirurg Noor Ul Owase Jeelani, der schließlich das Vertrauen der Familie erhält. Er arbeitet an dem renommierten Kinderkrankenhaus „Great Ormond Street“ in London und ist sich sicher, die Kinder voneinander trennen zu können, nachdem er CT-Scans der Mädchen ausgewertet hat. Safa und Marwa verfügen über je ein vollständig ausgebildetes Gehirn, doch sie teilen bestimmte Blutadern. Das macht den Eingriff so riskant.

Safa und Marwa vor der Operation. Ein interdisziplinäres Expertenteam betreute die Familie – darunter Neurologen, Psychologen, Radiologen und Physiotherapeuten.

Im Herbst 2018 beginnt der viermonatige Behandlungsprozess in London. Die Kosten werden von einem privaten Spender übernommen. Das Ärzteteam konzentriert sich zunächst darauf, die Gehirne und Gefäße der Mädchen voneinander zu trennen. Eine Plastikplatte sorgt dafür, dass die getrennten Bereiche nicht wieder zusammenwachsen. In einem nächsten Schritt wird die Kopfhaut der Mädchen gedehnt, um sie für die finale Operation vorzubereiten. Die letzte Operation besteht darin, die Kinder voneinander zu trennen und die Wunde mit körpereigenem Knochen- und Hautgewebe zu verschließen. Das Krankenhaus hat auf YouTube ein Video veröffentlicht, in dem es den Verlauf der Behandlung erklärt.

Komplikationen im OP

Während eines Eingriffs kommt es zu einer Komplikation, berichtet der „Guardian“: In Safas Nackenvene bildet sich ein Blutgerinnsel, was auch Marwas Blutkreislauf durcheinander bringt und ihre Herzfrequenz sinken lässt. Die Ärzte geben Marwa eine Vene, die sich beide Kinder zuvor geteilt haben, und können das Mädchen retten. Doch das hat wiederum Auswirkungen auf Safa: Zwölf Stunden nach dem Eingriff hat sie einen Schlaganfall – als Folge der verlorenen Vene.

Trotz aller Komplikationen setzen die Ärzte die Behandlung fort und können die Mädchen erfolgreich voneinander trennen. Am 1. Juli verlässt Zainab Bibi das Krankenhaus mit ihren Töchtern. Die Familie braucht nun zwei Kinderwagen. Einen schiebt Zainab Bibi, den anderen der Großvater Mohammad Sadat. Die Familie wird noch eine Weile in London bleiben, um sich von den Strapazen der Operationen zu erholen. Safa und Marwa sind in physiotherapeutischer Behandlung, um irgendwann ein weitgehend selbstständiges Leben führen zu können.

Dankbare Familie

„Das Krankenhaus und die Mitarbeiter haben uns einen großen Dienst erwiesen und wir möchten ihnen für alles danken, was sie getan haben. Wir sind sehr gespannt auf die Zukunft“, sagt Zainab Bibi gegenüber dem „Guardian“. 

In einer Mitteilung betont auch das Ärzteteam um Noor Ul Owase Jeelani, wie stolz sie auf die Mädchen seien: „Wir freuen uns, dass wir Safa und Marwa und ihrer Familie helfen konnten. Es war ein langer und schwieriger Weg für sie…“ Nicht zuletzt habe der Glaube und die Entschlossenheit der Familie dabei geholfen, durch diese schwere Zeit zu kommen.

Bei siamesischen Zwillingen handelt es sich um eineiige Zwillinge, die im Laufe ihrer Entwicklung im Mutterleib miteinander verbunden bleiben. Die Fehlbildung ist extrem selten und tritt etwa bei einer von einer Million Lebendgeburten auf. 

Quellen: Great Ormond Street Hospital für Children (GOSH) / Guardian / BBC

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