Jährlich sterben 100.000 Deutsche an Sepsis: Diese Anzeichen dürfen Sie nie ignorieren
In Deutschland erleiden im Jahr mehr als 340.000 Menschen einer Blutvergiftung, auch Sepsis genannt. Etwa 100.000 Menschen sterben daran. Damit ist die Blutvergiftung laut Sepsis-Stiftung die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Charité-Senior-Professor Konrad Reinhart erklärt, wer zur Risikogruppe gehört und welche Anzeichen Sie nicht ignorieren dürfen.
Eine Sepsis auch „Blutvergiftung“ genannt, entsteht als Folge einer akuten Infektion. Dazu kommt es, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte nicht mehr in der Lage sind, die Ausbreitung einer lokalen Infektion zu verhindern, und Erreger in den Blutkreislauf eindringen.
Der gesamte Körper reagiert dann mit einer Aktivierung sämtlicher Abwehrsysteme gegen Infektionserreger. Durch diese Abwehrreaktionen werden jedoch auch körpereigene Organe wie Lunge, Herz und Niere geschädigt. Unbehandelt führt dies innerhalb von Stunden zum tödlichen Mehrfachorganversagen und septischem Schock.
Reinhart
Über den Experten
Konrad Reinhart ist Intensivmediziner und Anästhesist. Er war von 1993 bis 2016 Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Jetzt ist er BIH Visiting Professor der Stiftung Charité und Senior Professor an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Reinhart ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Gründungspräsident der Deutschen Sepsis-Gesellschaft und der Global Sepsis Alliance. Er hat seine medizinische Laufbahn der Erforschung der Sepsis gewidmet. Seine Arbeiten haben die medizinische und gesundheitsökonomische Bedeutung der Sepsis aufgezeigt und zu einer besseren Arzneimittelsicherheit in der Sepsistherapie geführt.
Sepsis ist deshalb wie Herzinfarkt und Schlaganfall ein medizinischer Notfall! Sie kann jeden treffen. Zu den Risikogruppen zählen:
- über 60-Jährige,
- Früh- und Neugeborene,
- Menschen mit Immunschwäche
- Menschen mit chronischen Erkrankungen
Für diese Menschen gilt besondere Aufmerksamkeit für mögliche Anzeichen. Alltagsinfektionen, wie Lungenentzündungen, Harnwegsinfekte und Grippe, sind die häufigsten Auslöser einer lebensbedrohlichen Sepsis-Erkrankung. Auch nach Operationen und anderen medizinischen Eingriffen kann eine Sepsis entstehen. Dies macht etwa 20 Prozent der Sepsisfälle aus. Sepsis Stiftung
Weltweit sterben jährlich etwa 11 Millionen Menschen an einer Sepsis. In Deutschland erleiden jährlich mehr als 340.000 Menschen eine Sepsis, etwa 100.000 Menschen sterben daran. Sepsis ist damit häufiger als Brust-, Prostata und Darmkrebs zusammen. Die Sterblichkeitsrate im Krankenhaus liegt in Deutschland, in Abhängigkeit vom Schweregrad und Alter bei Erwachsenen zwischen 20 und 50 Prozent.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Sepsis 2017 in einer Resolution alle ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, die Bekämpfung von Sepsis in ihre nationalen Gesundheitsstrategien zu integrieren, weil durch eine Verbesserung der Infektionsprävention z.B. durch Impfungen gegen Pneumokokken, Grippe oder Covid-19, der Sepsis Früherkennung und ihre Behandlung als Notfall, die Mehrzahl der Sepsistodesfälle vermeidbar ist.
Gibt es eindeutige Sepsis-Symptome?
Infektionszeichen können sehr unterschiedlich sein. Fieber ist das häufigste Zeichen für eine Infektion und für eine Sepsis. Manche Menschen entwickeln jedoch kein Fieber. Es gibt kein einzelnes Hauptsymptom für Sepsis. Was sich anfangs mitunter wie eine Grippe anfühlt, kann sich schnell zu einer Blutvergiftung entwickeln. Deutliche und ernstzunehmende Warnsignale für das Bestehen einer Sepsis sind:
- ein niedriger Blutdruck (oberer Wert kleiner als 100),
- ein schneller Herzschlag (Puls über 120 pro Minute),
- eine erhöhte Atemfrequenz (mehr als 20 Atemzüge pro Minute)
- eine feucht-kalte und bläulich-fleckige Haut
Diese Symptome erfordern eine sofortige ärztliche Abklärung.
Als das eindeutigste unterscheidende Anzeichen zu anderen schweren Infektionen schildern fast alle Sepsis-Betroffenen ein nie gekanntes Krankheitsgefühl. Wenn zudem eine akute Verwirrtheit oder Bewusstseinsveränderung vorliegt, die bei anderen Infektionen nicht auftritt, sollte umgehend der Notarzt gerufen werden.
- Mehr zum Thema Blutvergiftung:
70.000 Deutsche sterben jährlich an Blutvergiftung – die 6 wichtigsten Anzeichen
FOCUS Online/Wochit 70.000 Deutsche sterben jährlich an Blutvergiftung – die 6 wichtigsten Anzeichen
Der Verdacht auf Sepsis oder einen anderen lebensbedrohlichen Zustand besteht, wenn bei einer vermuteten oder nachgewiesenen Infektion eines oder mehrere der zuvor genannten Symptome auftreten. Das gemeinsame Auftreten der Symptome ist ein weiterer Hinweis darauf, dass eventuell eine Blutvergiftung vorliegt. Entscheidend für die Überlebenschance ist, dass Ärzte möglichst schnell erkennen, dass es sich um eine Sepsis handelt, die in dem Fall gut behandelt werden kann. Unerkannt bzw. unbehandelt endet Sepsis immer tödlich.
Sepsis Stiftung
Die interaktive Sepsis-Checkliste der Sepsis-Stiftung informiert über die individuelle Anfälligkeit für Infektionen und Sepsis. Hilft zwischen einer unkomplizierten Infektion und einer Sepsis bzw. einer anderen akut lebensbedrohliche Erkrankung, bereits im Frühstadium, zu unterscheiden und informiert darüber, wann eine sofortige ärztliche Abklärung über 116117 erfolgen oder der Notarzt unter 112 gerufen werden muss.
Patienten und Patientinnen, die eine Sepsis überstanden haben, leiden oft an körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen, auch Post-Sepsis-Syndrom genannt. Dazu zählen zum Beispiel Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, chronische Müdigkeit und Schmerzen oder andere Beschwerden des Muskeln und Nervensystems.
Sepsis rechtzeitig erkennen: Durch Aufklärung Leben retten
Ein Grund dafür, dass eine Sepsis oft nicht rechtzeitig erkannt wird, sind die unspezifischen Symptome. Zudem wissen viele Menschen nicht, dass es Sepsis überhaupt gibt, oder dass die Krankheit ein lebensbedrohlicher Notfall ist. Aufklärung ist außerordentlich wichtig, auch deshalb, weil circa 80 Prozent der Sepsisfälle außerhalb des Krankenhauses entstehen und den meisten Menschen in Deutschland nicht bewusst ist, dass man sich durch Impfungen auch gegen eine Sepsis schützen kann.
Mit der „Aus dem Leben gerissen“ Informationsoffensive macht die Sepsis Stiftung seit Ende Februar in Berlin und Brandenburg gemeinsam mit ihren „Sepsis Wissen“ Projektpartnern Charité Universitätsmedizin, Robert-Koch-Institut, Medizinische Hochschule Brandenburg, Universitätsklinikum Jena und Max-Planck-Institut für Bildungsforschung auf Sepsis und Impfungen aufmerksam. Neben der Aufklärung der breiten Öffentlichkeit sollten natürlich und vor allem auch Ärzte bei bestimmten Warnsymptomen an Sepsis denken und alarmiert sein.
Deshalb bietet „Sepsis Wissen“ medizinischem Fachpersonal Fortbildungen zu Grundlagen, Früherkennung, Prävention und Folgen von Sepsis an. Nach England ist Berlin-Brandenburg die zweite Region, die sich zur Stärkung der Gesundheitskompetenz zum Thema Sepsis mit einer Aufklärungskampagne an die Öffentlichkeit wendet, die über das Jahr verteilt an verschiedenen Standorten und zu strategisch relevanten Zeitpunkten auf das Thema aufmerksam macht, wie dem am 13. September stattfindenden Welt-Sepsis-Tag.
Der Aufklärung dient auch das aktuelle vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Projekt „Deutschland erkennt Sepsis“, an dem neben dem Aktionsbündnis Patientensicherheit und anderen Partnern auch die Sepsis-Stiftung maßgeblich mitwirkt. Je mehr Menschen über die „unterschätzte Gefahr, die Symptome und die Präventionsmöglichkeiten von Sepsis informiert sind, desto mehr Leben können gerettet werden.
Dieses Video könnte Sie auch interessieren:
Corona erhöht Herzinfarkt-Risiko: "Das ist besorgniserregend, und wir wissen nicht, woher es kommt"
FOCUS Online/Wochit Corona erhöht Herzinfarkt-Risiko: „Das ist besorgniserregend, und wir wissen nicht, woher es kommt“
Quelle: Den ganzen Artikel lesen