Wann endet die dritte Welle? Forscher sehen Chancen für entspannten Sommer

Die Notbremse quietscht, die dritte Welle scheint abzuflachen. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist so niedrig wie seit Mitte April nicht mehr. FOCUS Online gibt einen Überblick: Hier stehen wir in der dritten Welle. So sieht die Prognose für den Sommer aus. Was erwartet uns im Herbst.

Zuletzt haben die Corona-Zahlen überwiegend zu Frust, Ärger, Angst, Resignation geführt – je nach Gemütslage. In dieser Woche gibt der Blick in die Lageberichte des Robert-Koch-Instituts (RKI) Anlass zum Optimismus. Wenn auch noch vorsichtigem. Die Zahlen der aktuellen dritten Welle und wann sie enden könnte.

Zahl der Neuinfektionen in Deutschland steigt nicht mehr

Der Blick auf den Graphen der täglichen Neuinfektionen im Siebentagesschnitt lässt die dritte Welle deutlich erkennen. Ourworldindata.org Zahl der täglichen Neuinfektionen in Deutschland (Siebentagesschnitt) seit Beginn der Pandemie

Zoomt man weiter hinein und betrachtet die Entwicklung seit Anfang März, zeigt sich allerdings ein deutliches Plateau. Ourworldindata.org Zahl der täglichen Neuinfektionen in Deutschland (Siebentagesschnitt) seit Anfang März

Dass die Zahlen nicht mehr ansteigen, sondern stagnieren, ist ein gutes Zeichen. Mit 24.329 gemeldeten Corona-Neuinfektionen am Freitag bleibt es zwar bei einem noch relativ hohen Tageswert. Aber mehrere Wissenschaftler erwarten, dass sich der Trend nicht wieder umkehrt hin zu steigenden Infektionszahlen.

„Ich hoffe, dass wir die Infektionswelle nicht in den Sommer hineintragen, sondern es im Mai, vielleicht Juni, wirklich abflacht“, zeigte sich auch Kinderklinikdirektor Reinhard Berner optimistisch im Gespräch mit FOCUS Online. Der Trend dahin ist bereits zu erkennen.

Entwicklung der Inzidenzen in Deutschland ist rückläufig

Ein ähnliches Bild ergibt sich demnach für die 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner. Bereits seit einer Woche pendelt sie um die 160. Das ist zwar noch ein gutes Stück von der 100 entfernt, die für Notbremse anziehen oder lösen steht. Aber ein einigermaßen stabiles Niveau bietet immerhin eine bessere Ausgangssituation, die Inzidenz weiter abzusenken.

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Am Ende dieser Woche nun bestätigt sich, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland den vierten Tag in Folge rückläufig ist. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die wichtige Kennzahl am Freitagmorgen mit 153,4 an. Noch am Montag waren 169,3 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche verzeichnet worden. So niedrig wie am Freitag lag die Sieben-Tage-Inzidenz seit Mitte April nicht mehr.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend bei 0,92 (Vortag: 0,90). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 92 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor acht bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.

Angespannte Lage auf den Intensivstationen entspannt sich ein wenig

Was einerseits tragisch ist, nämlich zunehmend jüngere Patienten auf den Intensivstationen, ist gleichzeitig positiv. Sie haben bessere Überlebenschancen als die Betagten.

Das bestätigte der Infektiologe Christoph Spinner im FOCUS-Online-Talk: „Anders als in der zweiten Welle sind offenbar glücklicherweise viele der älteren Menschen geimpft. Das heißt, wir sehen deutlich jüngere Patientinnen und Patienten. Diese müssen allerdings auch deutlich länger auf den Intensivstationen behandelt werden, weil sie – glücklicherweise – auch eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, die Intensivstation auch wieder verlassen zu können.“

Gleichzeitig wirkt sich das schnelle Impfen alter Menschen offenbar positiv auf Klinikeinweisungen in Deutschland aus. Seit Ende Februar stieg der Anteil der Einweisungen wegen Covid-19 in Kliniken nach den RKI-Daten nicht mehr an. Er verharrte bei sieben bis acht Prozent der gemeldeten Infizierten. Nachmeldungen seien für die aktuell niedrigste Zahl von vier Prozent nicht auszuschließen, teilte das RKI auf Dpa-Anfrage mit. Auf den Intensivstationen liegen nach dem Register von Intensivmedizinern und RKI aktuell immer noch rund 5000 Menschen. Robert-Koch-Institut, Lagebericht 29.04.2021 Anzahl der gemeldeten Covid-19 Fallzahlen des jeweiligen Beobachtungstages (Stand 29.04.2021, 12:15 Uhr). Zur Interpretation der Kurve im März/April 2020 ist zu beachten, dass noch nicht alle Meldebereiche im Register angemeldet waren. Generell kann sich die zugrundeliegende Gruppe der Covid-19-Intensivpatientinnen und -patienten von Tag zu Tag verändern (Verlegungen und Neuaufnahmen), während die Fallzahl ggf. gleich bleibt.

Auf dem Höhepunkt der ersten Welle hatte der Anteil der Klinikeinweisungen bei bis zu zwanzig Prozent der zu diesem Zeitpunkt gemeldeten Infizierten gelegen, bei der zweiten Welle bei bis zu zwölf Prozent. Dieser bereits niedrigere Wert hatte nach Einschätzung von Experten damit zu tun, dass Mediziner in der ersten Welle dazu gelernt hätten und schwere Krankheitsverläufe besser vermieden werden könnten.

Die Zahl der Todesfälle sinkt

Das wiederum schlägt sich in den Todeszahlen nieder. Immer weniger Menschen sterben an Covid-19. Dieser Trend ist schon seit Mitte Januar zu beobachten (– auch wenn die Zahlen zwischendurch noch einmal etwas angestiegen sind). Hier zeigt sich der Effekt der Impfungen, die besonders die über 80-Jährigen priorisierte. Ourworldindata.org Zahl der täglichen Todesfälle in Deutschland (Siebentagesschnitt) seit Beginn der Pandemie

So helfen die Impfungen, die dritte Welle zu brechen

Sowohl die Impfungen als auch durchgemachte Infektionen sind in der aktuellen dritten Welle entscheidende Infektionsbremse. Dass der Impf-Effekt für die stagnierenden Corona-Zahlen mitverantwortlich ist, sieht auch der Virologe Klaus Stöhr so. Wer schon mit dem Coronavirus infiziert war, ist danach zunächst für einen Zeitraum von mehreren Monaten immun. Zudem sind gut 25 Prozent der Menschen in Deutschland inzwischen mindestens einmal gepiekst. Zum 29. April 2021 sind nun 6.381.397 Personen (7,7 Prozent der Gesamtbevölkerung) vollständig geimpft. Insgesamt haben 22.393.183 Personen mindestens eine Impfdosis erhalten.

Und doch: Das Tempo könnte höher sein. Denn einzig bei den Impfungen wünscht sich niemand ein Plateau oder gar fallende Zahlen. Ourworldindata.org Die Kurve zeigt die täglichen Impfdosen pro 100 Einwohnern.

Mit einem Rekord von zum ersten Mal einer Million Impfdosen am Tag (am 28. April 2021) biegt sich die Kurve nun auch hier wieder nach oben.

Die Effekte der Maßnahmen

„Die Hoffnung ist schon, dass wir hier so eine gewisse Plateaubildung sehen können“, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), am Donnerstag in einem Youtube-Video zu den sinkenden Infektionszahlen. „Das heißt, dass die Maßnahmen der Notbremse hoffentlich so langsam zu greifen scheinen.“ Vorsichtiger Optimismus also.

Denn dafür, dass die Effekte der Notbremse tatsächlich bereits deutlich zu sehen wären, ist es noch ein wenig früh. Die Daten-Analysten von Net Check sehen bisher praktisch keine Effekte der Maßnahmen im Kontakteindex.

Es könnte sein, „dass die Bevölkerung schon vor dem Inkrafttreten der bundesweiten Notbremse am vergangenen Freitag ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet hat“, bewertete der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß die aktuellen Zahlen positiv. Die Situation gebe Anlass zur Hoffnung, dass es tatsächlich gelinge, die dritte Welle zu brechen. 

Prognose für den Sommer

Experten sehen demnach vor allem drei Effekte, die sich positiv auf das Infektionsgeschehen auswirken: die Osterferien, durchgemachte Infektionen und der Impfeffekt. Insofern bleibt abzuwarten, ob sich der Oster-Effekt wieder relativiert.

Fragt man Virologen, Infektiologen und andere Forscher, wie die Aussichten auf einen entspannten Sommer sind, fallen die Antworten gemischt aus. Außerdem gibt es einige Wenn und Aber – die beziehen sich vor allem auf das Impftempo und die Mutationen.

So sagte etwa der Virologe Friedemann Weber FOCUS Online: „Wenn das Impftempo wie prognostiziert anzieht und uns neue Varianten keinen Strich durch die Rechnung machen, kann gegen Ende des Sommers die Situation schon deutlich entspannter sein.“

Etwas verhalten äußerte sich Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin am Donnerstagnachmittag bei einer Anhörung im Parlamentarischen Begleitgremium Covid-19-Pandemie des Bundestags: „Ich rechne nicht mehr mit einer Zunahme, aber auch nicht mit einer schnellen Abnahme.“ Optimistischer gab sich die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Inzidenzen von deutlich unter 50 wie im vergangenen Sommer seien wahrscheinlich in den nächsten Wochen zu erreichen, sagte sie. Grund dafür sei vor allem der Impffortschritt.   
 
 

Vom Sommer in den Herbst

Gerade mit Blick über den Sommer hinaus in den Herbst heißt es wachsam sein. Experten warnen davor, schlecht vorbereitet in die nächste kühle Jahreszeit zu stolpern. So sieht Kinderklinikdirektor Reinhard Berner im Gespräch mit FOCUS Online zwar „ganz gute Chancen auf einen einigermaßen entspannten Sommer an vielen Stellen“. Aber gleichzeitig hofft der Infektiologe, dass wir nicht wieder den Fehler wie 2020 machen, sondern uns besser vorbereiten. Denn „wir werden auch im kommenden Winterhalbjahr immer noch mit dem – dann vielleicht endemischen – Coronavirus umgehen müssen, aber gerade bei den Kindern auch mit den vielen Viren wie Influenza und RSV, von denen in diesem Winter nichts zu spüren war.“

Im Herbst warten außerdem weitere Herausforderungen: Wir wissen aktuell nicht, wie langfristig der Impf-Effekt hilft, um die Pandemie zu kontrollieren. Sprich, wie lange die Immunität der im Frühjahr Geimpften anhält, ob wir eine dritte Booster-Impfung brauchen oder angepasste Impfstoffe gegen die Coronavirus-Mutationen.

Außerdem weisen unter anderem Forscher aus Großbritannien in einer Analyse im Fachmagazin „The Lancet“ darauf hin, dass wir die AHA+L-Regeln weiter brauchen werden. Sie haben verschiedene Szenarien modelliert und warnen davor, alle Eindämmungsmaßnahmen zu früh und zu schnell fallenzulassen – selbst wenn die Impfkampagne abgeschlossen ist.

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