Wie eine neue Virusmutation New York erobert – und Forscher Alarm schlagen lässt

Im März 2020 bekam New York schmerzhaft zu spüren, was die gesamten Vereinigten Staaten in den kommenden Pandemie-Monaten erwarten würde: immer mehr infizierte Menschen, überfüllte Intensivstationen und ein Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps. Ein Jahr später scheint es der Metropole deutlich besser zu gehen. Die Corona-Zahlen sinken langsam, die Impfkampagne schreitet zügig voran und die strikten Lockdown-Regeln werden Schritt für Schritt gelockert.

Doch gerade als New York langsam anfängt aufzuatmen, schlagen zwei Forscherteams Alarm. Sie haben herausgefunden, dass sich eine neue Virusvariante mit rasantem Tempo in der Metropolregion verbreitet. Die Mutation mit dem Namen B.1.526 wurde erstmals im vergangenen November entdeckt – bis Mitte Februar wurde sie bereits in rund jeder vierten Virussequenz nachgewiesen. Was den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besonders Sorge bereitet ist, dass die Variante laut ersten Studienergebnissen die Wirksamkeit von Impfstoffen abzuschwächen scheint. 

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Zwei Forscherteams – ein besorgniserregendes Ergebnis

Die Forschungsgruppe des California Institute of Technology, besser bekannt als Caltech, entdeckte den Anstieg von B.1.526, indem sie Hunderttausende genetische Virussequenzen auf Mutationen hin untersuchten. Sie stellten fest, dass zwei Varianten des Coronavirus besonders häufig auftreten: Zum einen die zuerst in Südafrika und Brasilien entdeckte E484K-Mutation, die die Wirkung der Impfstoffe abschwächen soll und zum anderen die sogenannte S477N-Mutation, die beeinflussen soll, wie eng sich das Virus an menschliche Zellen bindet. Bis Mitte Februar machten beide Varianten – die vorläufig als B.1.526 zusammengefasst werden – etwa 27 Prozent der untersuchten Fälle aus.

Einen anderen Ansatz verfolgten die Forscherinnen und Forscher der Columbia University. Sie sequenzierten 1.142 Proben von Patienten in ihrem Universitätsklinikum. Dabei fanden sie heraus, dass zwölf Prozent der mit Corona infizierten Menschen mit der E484K-Mutation infiziert waren. Diese Patienten waren im Durchschnitt etwa sechs Jahre älter und wurden vergleichsweise schneller ins Krankenhaus eingeliefert. Laut David Ho, einem der beteiligten Forscher, stammen die Fälle aus verschiedenen New Yorker Stadtteilen, wie Westchester, der Bronx und Queens sowie Manhattan und Brooklyn. "Es scheint also weit verbreitet und kein einzelner Ausbruch zu sein", sagte er der "New York Times".

Das Team identifizierte zudem sechs Fälle der zuerst in Großbritannien aufgetretenen Variante, zwei der mit Brasilien und einen Fall der mit Südafrika identifizierten Variante. Die beiden letzteren seien in New York bisher nicht gemeldet worden. Das Forschungsteam habe bei den zuständigen Behörden sowie bei den Gesundheitszentren Alarm geschlagen, sagte Ho der Zeitung. Er und seine Kollegen wollen nun täglich rund 100 virale genetische Virusproben sequenzieren, um den Anstieg der Varianten zu überwachen.

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Neue Variante auch in Kalifornien

Die Studie der Caltech-Forschungsgruppe wurde am Dienstag online gestellt, die Columbia-Studie ist bisher noch nicht veröffentlicht. Zwar wurden beide Studien bislang noch nicht wissenschaftlich begutachtet, doch die übereinstimmenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verbreitung der Variante real ist sagen Experten, wie der US-Immunologe Michel Nussenzweig.

"Das sind keine besonders erfreulichen Neuigkeiten", sagte Nussenzweig der "New York Times". "Aber alleine darüber Bescheid zu wissen ist gut, denn dann können wir vielleicht etwas dagegen tun." Der Immunologe fügte hinzu, er sei mehr besorgt über die Variante in New York als über die, die sich derzeit in Kalifornien verbreite.

Doch was die Ansteckungsgefahr betrifft, gibt es Parallelen. Die erstmals im Dezember in Kalifornien entdeckte Variante "B.1.427/B.1.429" sei ersten Erkenntnissen zufolge ebenfalls ansteckender als das Ausgangsvirus, wie mehrere US-Medien unter Berufung auf Wissenschaftler berichteten. Die Variante sei auch schon in anderen US-Bundesstaaten und Ländern weltweit entdeckt worden, habe sich aber nach bisherigen Erkenntnissen bislang vor allem in Kalifornien ausgebreitet.

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Die dominierende Variante ist jedoch nach wie vor diejenige, die zuerst in Großbritannien entdeckt wurde. Derzeit werden etwa 2000 Fälle in 45 Staaten gezählt. US-Wissenschaftler rechnen damit, dass sie bis Ende März die am weitesten verbreitete Corona-Variante in den Vereinigten Staaten sein wird.

Bemerkenswert ist zudem, dass die Varianten in New York, Brasilien, Südafrika und Großbritannien alle dieselbe E484K-Mutation aufweisen. Dass sich das Coronavirus weltweit auf ähnliche Weise verändert, legt nahe, dass die Varianten zu einer effektiveren Ausbreitung des Virus geführt haben. "Was wir sehen, sind ähnliche Mutationen, die an mehreren Orten auftreten", sagte der Virologe Adam Lauring dem Wissenschaftsmagazin "Scientific American". "Es ist ziemlich naheliegend, dass diese Mutationen etwas bewirken."

Obwohl bereits nachgewiesen ist, dass die Zwei-Dosis-Impfung von Pfizer zu 90 Prozent gegen die britische und die südafrikanische Variante schützt, zeigen die vielfachen Mutationen, dass Impfstoffe langfristig angepasst werden müssen – solang das Coronavirus Teil unseres Alltags ist.

Weitere Quellen: "New York Times", "Scientific American", Caltech-Studie, 

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