Bluthochdruck: Neuer Therapieansatz für salzsensitive Betroffene – Heilpraxis
Neue Therapie bei salzsensitiver Hypertonie
Von Fachleuten wird immer wieder vor einem hohen Salzkonsum gewarnt, da dieser einer der wichtigsten Risikofaktoren für Bluthochdruck (Hypertonie) ist. Doch die Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf Salz. Besonders bei den Salzempfindlichen steigt der Blutdruck an, wenn sie zu viel Speisesalz konsumieren. Bei diesen Personen wirken Blutdrucksenker oft auch nicht so gut. Doch Forschende berichten nun über eine neuen Therapieansatz für salzintensive Hypertonie-Betroffene.
Die Deutsche Hochdruckliga weist in einer aktuellen Mitteilung auf eine im Fachjournal „Hypertension“ veröffentlichte Publikation der „Boston University School of Medicine“ hin, die über neue Erkenntnisse zum komplexen Zusammenspiel des sympathischen Nervensystems und den Nieren bei der Entstehung der sogenannten salzsensitiven Hypertonie berichtet. Ihre Erkenntnisse könnten zu einer zielgerichteten Therapie des salzsensitiven Bluthochdrucks beitragen, die ein häufiger Grund dafür ist, dass Patientinnen und Patienten nicht auf herkömmliche Blutdrucksenker ansprechen.
Bluthochdruck wegen zu viel Salz
Fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat zu hohen Blutdruck (arterielle Hypertonie). Bei den über 60-Jährigen ist laut der Herzstiftung im Durchschnitt sogar jeder Zweite von erhöhten Werten betroffen und hat damit ein deutlich erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen (insbesondere Gefäßverkalkungen/Atherosklerose). Besonders gefürchtete Folgeerkrankungen sind Herzinfarkt und Schlaganfall, doch jahrelanger Bluthochdruck kann auch zum Versagen der Nieren oder zur Erblindung führen.
Dass der Konsum von zu hohen Mengen Kochsalz (Natriumchlorid) das Risiko für die Entstehung einer Hypertonie erhöhen kann, ist lange bekannt. Dennoch ist der durchschnittliche Salzkonsum der Deutschen viel zu hoch. Der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zufolge wird für die Speisesalzzufuhr ein Orientierungswert von bis zu sechs Gramm Speisesalz pro Tag angegeben. Diese Menge entspricht in etwa einem Teelöffel voll. Doch hierzulande liegt die Speisesalzzufuhr bei etwa 70 Prozent der Frauen und bei rund 80 Prozent der Männer darüber.
Salzige Speisen erzeugen Durst, zudem bindet Salz Wasser im Körper. Dadurch steigt im Blutkreislauf das Flüssigkeitsvolumen an – und somit auch der Druck in den Blutgefäßen, erklären die Fachleute der Herzstiftung. Eine Abhängigkeit von Salzkonsum und Blutdruck besteht zwar nicht bei allen Menschen, doch bei vielen. Ursächlich seien eine spezielle genetische Veranlagung (sogenannte Salzsensitivität), aber auch zusätzliche Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus, Nierenleiden oder Störungen im vegetativen Nervensystem.
Nieren halten zu viel Salz zurück
Patientinnen und Patienten mit einem salzsensitiven Bluthochdruck haben typischerweise eine erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems (Sympathikus) und ihre Nieren halten zu viel Salz zurück, anstatt es mit dem Urin auszuscheiden (renale „Natriumretention“). Den Angaben zufolge aktiviert der sympathische Botenstoff (Neurotransmitter) Noradrenalin die Alpha-Rezeptoren der Blutgefäße, was deren Verengung (Vasokonstriktion) bewirkt und so den Blutdruck steigert.
Bekannt ist zudem, dass Noradrenalin den renalen Natrium-Chlorid-Cotransporter (NCC) in den Zellmembranen der Nierenkanälchen (Nierentubuli) stimuliert, so dass vermehrt Natrium aus dem Urin zurück in das Blut transportiert wird. Der genaue Mechanismus, wie Noradrenalin die renale Natriumretention beeinflusst, ist allerdings nicht geklärt. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Erforschung der Adrenalin- oder Noradrenalin-gesteuerten Signalwege des sympathischen Nervensystems, die die NCC-Aktivität regulieren, zeigten bisher keine einheitlichen Ergebnisse.
Renale Salzretention wurde verhindert
Die bekannte blutdrucksenkende Wirkung von sogenannten Alpha-Blockern besteht in der gefäßerweiternden Wirkung durch Erschlaffung der glatten Gefäßmuskulatur (Gefäßdilatation). In der aktuellen Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass Alpha1-Adrenorezeptor-Blocker zusätzlich die Aktivität des Natrium-Wiederaufnahmeprozesses reduzieren und auch über diesen Weg den Blutdruck senken.
In ihrer Arbeit verwendeten die Forschenden selektive Alpha1-Rezeptor-Blocker, um zu untersuchen, ob die Noradrenalin-abhängige NCC-Aktivierung bei einem salzsensitiven Rattenstamm über einen Alpha1-Rezeptor-abhängigen Signalweg vermittelt wird.
Wie es in der Mitteilung heißt, wurde die Salzzufuhr der Tiere über die Nahrung erhöht, woraufhin die NCC-Aktivität und –Expression signifikant zunahmen und sich ein Bluthochdruck entwickelte. Durch die Behandlung mit Alpha1-Rezeptor-Blockern kam es dann zur Absenkung des Blutdrucks — vermittelt durch eine Verminderung der NCC-Aktivität und der NCC-Expression (d. h. geringere NCC-Zahl auf den Zellmembranen), wodurch wurde die renale Salzretention verhindert wurde.
Die Alpha1-Rezeptor-Blocker waren effektiv sowohl bei der Gabe vor Start hoher Salzzufuhr als auch bei schon ausgebildeter salzsensitiver Hypertonie. Detaillierte molekulare Analysen ergaben, dass bei salzsensitivem Bluthochdruck (im Gegensatz zu Rattenstämmen mit salzresistenter Normotonie) eine Störung des Enzyms „WNK-Kinase 1/4“ vorliegt beziehungsweise eine Fehlfunktion des „WNK/SPAK/OxSR1“-Signalweges, der die NCC-Aktivität reguliert, berichten die Forschenden.
Hoffnung auf neue Behandlung
„Diese Forschungsergebnisse zeigen, wie komplex die Pathomechanismen und Zusammenhänge von sympathischem Nervensystem und der Nieren bei der Hypertonieentstehung sind“, kommentiert Prof. Dr. med. Ulrich Wenzel, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Vorstandsvorsitzender der DHL. „Auch wenn die genauen Pathomechanismen noch nicht geklärt sind, scheinen selektive Alpha1-Rezeptor-Blocker zielgerichtet die salzsensitive Hypertonie unterbinden zu können”, so der Experte weiter.
„Bestätigen sich diese tierexperimentellen Befunde in klinischen Studien wäre das von großer praktischer Relevanz, da diese Medikamente bei vielen Menschen, bei denen herkömmliche Blutdrucksenker nicht wirken (Patienten mit sogenannter therapierefraktärer Hypertonie), den Teufelskreis durchbrechen und zu normalen Blutdruckwerten führen könnten”, betont Professor Wenzel. Bislang bestehe nur die Möglichkeit, diesen Patienten zu empfehlen, die Kochsalzzufuhr auf ein Minimum zu begrenzen, was aber u.a. auch wegen „verstecktem Salz“ in vielen Lebensmitteln alles andere als einfach umzusetzen ist.
„Eine zielgerichtete Therapie bei salzsensitiver Hypertonie würde dazu beitragen, dass wesentlich mehr Patienten mit ihren Blutdruckwerten in den Zielbereich gebracht werden könnten und weniger Folgeerkrankungen erleiden“, resümiert Professor Wenzel. (ad)
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