Tierische Proteine: Backwaren mit Mehl aus Insekten – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal
Nahrungsmittel: Mehl aus Insekten
Während Insekten in Europa als Nahrungsmittel noch kaum bekannt sind, stehen Mehlwürmer, Heuschrecken, Käfer und Co. in vielen Teilen der Welt regelmäßig auf dem Speiseplan. Hierzulande lehnen viele Menschen unverarbeitete Insekten aus Ekelgründen ab. Die Akzeptanz könnte jedoch steigen, wenn die Tierchen nicht mehr erkennbar sind, etwa in Form von Mehl.
In unserem Kulturkreis ist das Essen von Insekten bislang eher unüblich, doch in manchen Regionen Asiens, Lateinamerikas und Afrikas ist der Verzehr der kleinen Tierchen schon lange verbreitet. Anfang 2018 hat die Europäische Union neue gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht. Insekten oder daraus bestehende Produkte wie Nudeln oder Burger werden bereits vermehrt angeboten. Doch bei vielen Menschen dominiert der Ekel davor. Dabei können solche Speisen eine gute tierische Proteinquelle sein.
Bedarf an tierischen Proteinen wird sich verdoppeln
Nach Einschätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird sich der weltweite Bedarf an tierischen Proteinen mit dem Bevölkerungswachstum bis zum Jahr 2050 verdoppeln.
Selbst wenn noch freie landwirtschaftliche Flächen erschlossen würden, ließe sich dieser Bedarf nicht allein durch Fleisch aus der Viehzucht decken, erklärt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in einer aktuellen Mitteilung.
Deshalb untersuchen Forschende des KIT die Herstellung neuer alternativer Proteinquellen. Ihr Ziel: Mehle aus Insektenpulver entwickeln, die sich zum Beispiel für die Brotherstellung eignen.
Weniger Belastung für die Umwelt
Insekten sind in vielen Kulturen, etwa in Teilen Asiens oder Südafrikas, fester Bestandteil der Ernährung. In Europa sind sie als Nahrungsmittel bislang eher ein Nischenprodukt. Laut dem KIT liegt der Fokus der industriellen Produktion dabei derzeit auf Mehlwürmern (Tenebrio molitor), deren Larven viele Proteine aufweisen.
„Mehlwürmer haben gegenüber Rindfleisch den Vorteil, dass sie etwa halb so viel CO2 produzieren und damit die Umwelt weniger belasten“, erläutert Dr. Azad Emin, Leiter der Nachwuchsgruppe „Extrusion von Biopolymeren“ im Teilinstitut Lebensmittelverfahrenstechnik (LVT) des Instituts für Bio- und Lebensmitteltechnik des KIT.
Als unverarbeitetes Lebensmittel – zum Beispiel als Snack – lehnen viele Verbraucherinnen und Verbraucher hierzulande Insekten noch ab. Erste Studien zeigen aber, dass bei Produkten, bei denen die Insekten nicht mehr erkennbar sind, die Akzeptanz steigt.
Zu Pulver verarbeitet sei eine Einführung in den deutschen Markt über traditionelle Lebensmittel wie Brot denkbar, das nach wie vor zu den Hauptenergiequellen gehört, erklärt Emin. „Weizenmehl mit Insektenanteilen kann das Grundnahrungsmittel mit Proteinen anreichern und so auch eventuelle Defizite aus anderen Proteinquellen ausgleichen“, so der Verfahrenstechniker.
Hohe Verbraucherakzeptanz erreichen
Für die Verarbeitung der Insekten nutzen Lebensmitteltechnikerinnen und -techniker die Extrusion – ein Verfahren, das schon seit langem genutzt wird, um beispielsweise Pasta oder Zerealien herzustellen.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, entsteht durch Zufuhr von Wasser eine teigartige Masse, die zunächst über Schneckenwellen geführt, erhitzt und schließlich durch eine Düse gepresst wird. Anschließend wird die trockene Masse dann gemahlen.
Um eine hohe Verbraucherakzeptanz zu erreichen, sollen sich die neuen Mehle in Geschmack, Backeigenschaft sowie Textur kaum von herkömmlichen Backmehlen unterscheiden.
Weil der höhere Protein- und Fettgehalt in Insektenmehlen allerdings zu Veränderungen im Teig führt, untersuchen die Forscherinnen und Forscher am LVT diese auf ihre physikalischen und funktionellen Eigenschaften wie Löslichkeit, Wasserhaltevermögen oder Elastizität.
Ziel ist, diese durch das Extrusionsverfahren gezielt so zu verbessern, dass sie die gewünschten Eigenschaften von Mehlen zum Backen erhalten.
Regionale Herstellung und Weiterverarbeitung
„Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist die Deaktivierung von Enzymen sowie die Reduktion mikrobieller Kontaminanten. Zusätzlich könnte eine verbesserte Verdaubarkeit erreicht werden“, erläutert Emin.
Da bisher nur wenig über die Auswirkungen der Extrusionsbedingungen auf die Verdaubarkeit und Bioverfügbarkeit der in Insekten enthaltenen Nährstoffe bekannt sei, untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese nun detailliert in Zusammenarbeit mit dem Max Rubner-Institut.
Die Extrusion in Verbindung mit dem Erschließen neuer Rohstoffe könne laut den Fachleuten auch dem traditionellen Bäckerhandwerk, insbesondere kleinen Betrieben, neue Perspektiven eröffnen, auch mit Blick auf Lebensmitteltrends. Außerdem mache die Zusammenarbeit mit ortsansässigen Betrieben eine regionale Herstellung und Weiterverarbeitung möglich.
„In unserer weiteren Forschung wollen wir die Anwendbarkeit der produzierten Mehle im handwerklichen Maßstab überprüfen. Dazu sollen bei externen Brotprüfungen neben Form und Aussehen auch die Textureigenschaften untersucht werden“, so Emin.
„Zusätzlich wollen wir Personenbefragungen durchführen“, berichtet der Wissenschaftler und betont, dass die gewonnenen Ergebnisse wichtig für die nachhaltig alternative Erschließung von Lebensmitteln aus Insekten seien. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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