Untergewicht / Kachexie
Untergewicht ist in modernen Industriestaaten ein wenig beachtetes Gesundheitsthema, dem fast ausschließlich im Rahmen von Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie Aufmerksamkeit geschenkt wird. Doch es gibt eine Reihe weiterer Ursachen, die zu Gewichtsverlust bis hin zur Auszehrung führen können.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Untergewicht wird in der Literatur vielfach als Körpergewicht definiert, das 20 Prozent unter dem Normalgewicht beziehungsweise dem Sollgewicht liegt. Ab 50 Prozent wird der Gewichtsverlust als lebensgefährlich eingestuft; der schlechte Ernährungszustand führt zu Schwäche, Leistungseinbußen und weiteren Symptomen. Dieser extreme Zustand von Untergewicht und Auszehrung wird als Kachexie bezeichnet.
Zur Ermittlung des Normalgewichts wird heute in der Regel der Body-Mass-Index (BMI) herangezogen, der nach der Formel BMI = Körpergewicht (in Kilogramm) : Körpergröße (in Metern)² errechnet wird bzw. von Tabellen abzulesen ist. Danach besteht Untergewicht bei einem BMI von 18,5 oder kleiner.
Bei der Berechnung von Normal-, Über- und Untergewicht werden Größe, Geschlecht und Fettmasse, nicht aber die individuelle Konstitution berücksichtigt. Es gibt durchaus vitale und leistungsfähige Menschen, die nach dem Body-Mass-Index untergewichtig sind. Die genetischen und biologischen Voraussetzungen sind sehr individuell: Menschen gleicher Größe können sich in Knochenbau, Muskulatur, Bewegungsdrang und Ruhebedürfnis unterscheiden. Außerdem spielen Alter und Fettverteilung eine wichtige Rolle.
Ob das Untergewicht eines Menschen behandlungsbedürftig ist, hängt deshalb von vielen weiteren Faktoren ab, die miteinbezogen werden müssen. Neben begleitenden Symptomen ist es wichtig, den Zeitraum des Gewichtsverlusts zu berücksichtigen, weil ein plötzliches unbeabsichtigtes Abnehmen möglicherweise auf ein ernsthaftes Krankheitsgeschehen hindeutet. Tritt bei unverändertem Essverhalten oder ungeklärtem Appetitmangel eine Gewichtsabnahme von mehr als zwei Kilogramm innerhalb von vier Wochen auf, sollte die Ursache mithilfe gründlicher Diagnostik geklärt werden.
Ursachen
Untergewicht entsteht durch eine negative Energiebilanz, das heißt, der Körper verbraucht mehr Energie, als ihm zugeführt wird.
Verminderte Nahrungsaufnahme
Verminderte Nahrungsaufnahme beziehungsweise Ausnutzung der Nahrung: In hochentwickelten Industrienationen wie unserer ist dies seltener auf eine reduzierte Nahrungsaufnahme zurückzuführen als beispielsweise in Entwicklungsländern. Doch auch in Deutschland klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, sodass Kinderarmut und damit einhergehender Hunger leider auch hierzulande noch auftreten. Eine Vernachlässigung durch die Eltern, beispielsweise aufgrund Suchterkrankungen oder Depressionen, kann ebenfalls zu einer Unter- oder Mangelernährung bei Kindern führen.
Extreme Diäten und Magersucht treten vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen (nicht bei Kindern) auf und können in Untergewicht münden.
Steckt ein andauernder Appetitmangel hinter dem unerwünschten Gewichtsverlust, kann dies Zeichen einer Verdauungsstörung sein, aber auch von Stress, seelischer Unausgeglichenheit oder einer bestehenden oder sich anbahnenden Depression. Auch bei Kindern ist eine Essunlust häufiger zu beobachten. Dahinter verbergen sich entweder körperliche Ursachen wie Infekte, Entzündungen oder bösartige Erkrankungen, oder psychische Auslöser wie zum Beispiel Machtkämpfe, Trotzverhalten oder sonstige Konflikte mit den Eltern.
Des Weiteren besteht nach überstandener Krankheit häufig ein Untergewicht, das sich auch nach der Genesung hartnäckig hält.
Schluckbeschwerden (Dysphagie) sind eine weitere mögliche Ursache, die alle Altersgruppen gleichermaßen betrifft und zu einer verminderten Nahrungsaufnahme führt. Achtung: Bei Kindern können plötzlich auftretende Schluckbeschwerden Hinweis auf einen verschluckten Fremdkörper sein; bei Erwachsenen kann schlimmstenfalls ein Krebsgeschwür in Kehlkopf oder Speiseröhre dahinterstecken. Zwar können auch harmlose Erkrankungen diese Beschwerden auslösen, trotzdem sollten akut auftretende Schluckstörungen immer zeitnah vom Facharzt abgeklärt werden.
Auch bei anhaltendem Erbrechen oder Durchfall kann die aufgenommene Nahrung nicht ausreichend vom Organismus verwertet werden. Erbrechen bei Babys ist in seltenen Fällen auf eine angeborene Verengung des Magenausgangs zurückzuführen, die sogenannte Pylorusstenose.
Selbst bei ausreichender Nahrungsmenge kann eine gestörte Nahrungsausnutzung bei Fehlverdauung mit Mangel an Verdauungssäften (Dyspepsie) oder eine gestörte Aufnahme der Nährstoffe aus dem Darm (etwa bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie, Dünndarmverkürzung) zu Untergewicht führen.
Untergewicht bei Organkrankheiten
Besonders bei raschem Gewichtsverlust mit allgemeiner Abgeschlagenheit ist eine schwere Organkrankheit nicht auszuschließen. Hier helfen meist zusätzliche Symptome bei der Bestimmung der Ursachen des Gewichtsverlustes. So sind beispielsweise die hohe Infektanfälligkeit und vermehrte Pilzinfektionen mögliche Hinweise auf AIDS, bei einer Leberzhirrhose zeigt sich chronische Müdigkeit), Nierenversagen wird beim Bluttest erkennbar durch Urämie, also Rückstände des Urinabbaus im Blut und Bronchiektasien (krankhafte Ausweitungen der mittleren Atemwege, also Bronchien) werden gekennzeichnet durch Symptome wie Husten und Auswurf).
Krebserkrankungen aller Art führen ebenfalls oft zu frühzeitigem raschem Gewichtsverlust ohne weitere Symptome. Manchmal werden sie jedoch von allgemeinen Symptomen wie Leistungsknick, Nachtschweiß und erhöhter Körpertemperatur (sogenannte subfebrile Temperatur, die etwas über der Normaltemperatur, aber unterhalb von Fieber liegt, also zwischen 37,1 bis 37,9 Grad Celsius) begleitet.
Stoffwechsel-Störungen und Hormonsystem
Ebenso können Stoffwechselstörungen und hormonelle Störungen ein Untergewicht bedingen, etwa bei einem entgleisten Diabetes mellitus oder einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose). Schließlich führen auch Vergiftungen unterschiedlicher Art zu Gewichtsverlust, Untergewicht und Auszehrung. Diese chronische Vergiftung kann etwa durch Alkoholismus und massive Drogenabhängigkeit entstehen sowie durch Giftstoffe am Arbeitsplatz wie beispielsweise Blei.
Zunehmen mit Mitteln der Naturheilkunde
Liegen ernsthafte Störungen und Krankheiten zugrunde, müssen diese zunächst erkannt und nach ihrer Ursache behandelt werden. Dazu kann konventionelle ärztliche Hilfe notwendig sein. Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die von ihrer Konstitution her zu Untergewicht neigen oder für Menschen, die in der Genesungsphase nach einer Krankheit wieder zu Kräften kommen wollen, hält die Naturheilkunde stärkende und gewebeaufbauende Mittel bereit.
Stehen Appetitlosigkeit und Fehlverdauung im Vordergrund, so bietet sich der Einsatz von Heilpflanzen und -gewürzen an. Kardamom und Koriander regen Appetit und Verdauung an. Mit Artischockenblättern lässt sich die Gallenproduktion ankurbeln. Mittel der Wahl ist die Condurangorinde (Condurango cortex), die bei Schwächezuständen, zur Appetitanregung und zur vermehrten Produktion von Verdauungssäften eingesetzt werden kann.
Auch durch die Auswahl bestimmter Nahrungsmittel kann man die Gewichtszunahme fördern. In der Ernährungslehre des Ayurveda sind sämtliche Nahrungsmittel Geschmacksrichtungen zugeordnet und es werden ihnen energetische Eigenschaften zugesprochen. Zum Abbau von Untergewicht sollten vorzugsweise süße, schwere und ölige Lebensmittel gewählt werden, um den Körper zu nähren. Reis, Getreidegerichte und Hülsenfrüchte weisen solche Qualitäten auf und sollten häufig gegessen werden. Auch Feigen, Datteln und Mandeln erhöhen das Gewicht, wenn täglich je drei bis fünf von ihnen über einen längeren Zeitraum verzehrt werden. Als Nahrungsergänzung wird außerdem die Winterkirsche (Ashvagandha) empfohlen, die gewebeaufbauend wirken soll.
Sind vor allem Stress, innere Unruhe oder Ähnliches für das Untergewicht verantwortlich, sollten innere Ruhe und Ausgeglichenheit gestärkt werden, etwa mit Übungen aus dem Yoga, Selbsthypnose oder Autogenem Training. (jvs,kh)
Quellen:
Bierbach, Elvira (Hrsg.): Naturheilpraxis heute. Lehrbuch und Atlas. Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München, 4. Auflage 2009.
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