Streit um Cholesterinsenker: Arzt erklärt, wem sie mehr schaden als nutzen
Statine senken den Cholesterinspiegel. Doch Ärzte verschreiben die Medikamente zu häufig, kritisiert ein Wissenschaftler aus der Schweiz. Er stellte fest, dass die Nebenwirkungen der cholesterin-senkenden Mittel in manchen Fällen einen möglichen Nutzen überwiegen: Es drohen Leberschäden und Diabetes.
Ein hoher Cholesterinspiegel kann die Blutgefäßen schädigen und eine Herz-Kreislauf-Erkrankung fördern. Ab welchem Wert Cholesterin schadet, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Heute sind sich viele Wissenschaftler einig, dass der Cholesterinspiegel nur zu einem gewissen Teil von der Ernährung abhängt. Der größte Teil ist genetisch bedingt.
Doch wie lässt sich einem steigenden Cholesterin-Level dann entgegenwirken? Hilfreich sind sogenannte Statine. Die verschreibungspflichtigen Medikamente hemmen ein Enzym, das Cholesterin produziert. Weltweit nehmen etwa 20 Millionen Menschen Statine ein. Das sind zu viele, schätzt Milo Puhan, Professor für Epidemiologie an der Universität Zürich.
Arzt warnt: Nebenwirkungen nicht unterschätzen
Die Medikamente gelten zwar als nebenwirkungsarm und daher weitgehend ungefährlich, doch Puhan warnt: "Letztendlich wird [durch eine Behandlung mit Statinen] nur bei wenigen Personen ein Herzinfarkt oder ein Hirnschlag vermieden. Aber alle Personen können potentiell Nebenwirkungen durch Cholesterinsenker erleiden."
Zu den möglichen Nebenwirkungen zählt er Muskelschmerzen, Grauer Star, Leberschäden und Diabetes. Dass Statine diese Erkrankungen begünstigen können, ist bekannt und für viele Experten dennoch kein Grund, auf die Verordnung von Statinen zu verzichten. So schätzt die Amerikanische Herzgesellschaft den Anteil der Patienten, die Statine einnehmen und daraufhin an Diabetes Typ 2 erkrankten, auf gerade mal 0,2 Prozent.
Trotzdem sollten Ärzte den individuellen Nutzen von Statinen sowie ihre Risiken für jeden Patient genau abwägen, fordert Puhan.
Wer nimmt bislang Statine ein?
Bislang betrachten Ärzte bestimmte Risikofaktoren ihrer Patienten – wie den Cholesterinspiegel, den Body Mass Index und den Nikotin-Konsum – und berechnen daraus die Wahrscheinlichkeit, dass der Patienten in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden wird.
Liegt das Risiko bei zehn Prozent oder höher, empfehlen die meisten Richtlinien die Einnahme von Statinen. Manche Leitlinien raten bereits ab einem Risiko von 7,5 Prozent zu den Medikamenten, andere erst ab 20 Prozent.
Nutzen von Statinen vor allem bei Senioren überschätzt?
Milo Puhan untersuchte gemeinsam mit seinem Team die aktuelle Studienlage zu den Vor- und Nachteilen von Statinen. In seiner Studie, die kürzlich im Fachmagazin „Annals of Internal Medicine“ veröffentlicht wurde, kritisiert er: „Viele Richtlinien verwenden das erwartete Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den nächsten zehn Jahren als Grundlage für Empfehlungen zur Verwendung von Statinen […]. Es ist jedoch oft unklar, wie Schaden betrachtet und gegen den Nutzen abgewogen wurde.“
Die Schweizer Wissenschaftler analysierten die Daten von Menschen im Alter von 40 bis 75 Jahren, die noch nicht an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung litten. Sie kommen zu dem Schluss: Je nach Geschlecht und Alter der Patienten überwiegt der Nutzen von Statinen die möglichen Nebenwirkungen.
Laut der Studie profitieren Männer im Alter von 40 bis 44 Jahren ab einem Risiko-Faktor von 14 Prozent von Statinen, ältere Männer von 70 bis 75 Jahren aber erst ab einem Risikofaktor von 21 Prozent. Bei Frauen überwog der Nutzen von Statinen die möglichen Nebenwirkungen in der Altersgruppe 40 bis 44 erst ab einem Risikofaktor von 17 Prozent, im höheren Alter erst ab 22 Prozent.
„Vor allem für Senioren wurde der Nutzen von Statinen bis jetzt anscheinend stark überschätzt“, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Zürich.
Ein Unterschied zeigte sich auch je nach Art der Statine: Atorvastatin und Rosuvastatin erzielten einen besseren sogenannten "Nettonutzen" für die Patienten als Simvastatin und Pravastatin.
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