Betroffene berichtet: So ist mein Leben mit Asexualität
Anders als die Freundinnen
„Ich hätte mir als Jugendliche mehr Informationen gewünscht. Toll wäre auch gewesen, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich okay bin, so wie ich bin“, sagt Carmilla deWinter (39), die Ende der 90er Jahre, als Boybands wie „Take That“ und die „Backstreet Boys“ die Herzen aller Mädchen erobern, erstmals feststellt, dass bei ihr etwas anders ist als bei ihren Freundinnen.
Keine Lust, sexuelle Erfahrungen zu sammeln
Während die davon träumen, mit den Stars zu knutschen, reicht ihr die Musik. Sie hat keine Lust, sexuelle Erfahrungen zu sammeln – auch nicht mit den gleichaltrigen Jungs aus der Schule. Händchenhalten und ein bisschen Knuddeln, mehr braucht sie nicht.
„Am Anfang dachte ich noch, dass alle anderen, die Sex haben, verrückt sind.“ Dann zweifelt sie an sich. Ob sie wirklich heterosexuell ist – was sie ausdrücklich bejahen kann. „Ich ging davon aus, dass ich keine sexuellen Kontakte habe, weil ich zu dick und zu schüchtern bin.“
Asexualität ist keine Krankheit
Erst mit Mitte 20 stößt sie in einem Artikel zufällig auf den Begriff Asexualität – und erkennt: Das passt alles perfekt auf mich. Der Begriff taucht erstmals Ende der 90er Jahre im Internet auf. Laut Sexualpsychologe Christoph J. Ahlers ist Asexualität keine Krankheit. „Asexuelle leiden nicht darunter, dass ihnen sexuelles Verlangen fehlt.“
Vielmehr lehnen Personen, die sich als asexuell erleben, sexuelle Stimulation mit anderen Menschen ab, nicht aber sexuelle Erregung mit sich selbst oder Sexualität grundsätzlich. Lust sei nur eine von drei Funktionen von Sexualität. „Neben der Erregung geht es bei Sexualität auch um Fortpflanzung und vor allem um Kommunikation“, erklärt Ahlers.
Bedürfnis nach Innigkeit und Intimität
Das bedeutet: Asexuelle haben keine Lust, sich mit anderen Personen sexuell zu stimulieren, einen Kinderwunsch kennen aber viele. Und vor allem das Bedürfnis nach Innigkeit und Intimität durch Körper- und Hautkontakt, womit die Kommunikations-Funktion von Sexualität gemeint ist.
Für Vivian Jückstock, Diplom-Psychologin und Sexualtherapeutin an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, ist Asexualität nichts Unnormales. „Das sexuelle Verlangen und Interesse ist bei jedem Menschen anders ausgeprägt.“ So gibt es Menschen mit einem ausgeprägten sexuellen Interesse, aber auch solche ohne. Über die Gründe dafür sei bisher noch wenig bekannt.
Keine wissenschaftliche Einigkeit
Es gibt auch noch keine wissenschaftliche Einigkeit in Bezug auf die Frage, ob Asexualität eine sexuelle Orientierung wie Hetero-, Homo- oder Bisexualität ist. Jückstock glaubt, dass es das Phänomen immer schon gab, früher nur niemand darüber gesprochen hat. „Geschlechtsverkehr in der Ehe wurde eher als Pflicht statt als Vergnügen angesehen. Heute ist Sexualität individueller auslebbar – oder auch nicht.“
Jückstock betont, dass sich die Ausprägung des sexuellen Verlangens im Leben verändern kann. Das bedeutet, es gibt Menschen, die erst im Laufe der Zeit asexuell werden und wiederum andere, die es irgendwann nicht mehr sind.
Dass DeWinter seit ihrer Jugend asexuell ist, hat sie längst akzeptiert. Sie sei zufrieden damit, keine Lust auf Sex zu haben. Eine Partnerschaft, sagt sie, könne sie sich trotzdem vorstellen.
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*Der Beitrag „Betroffene berichtet: So ist mein Leben mit Asexualität“ stammt von Kölner Express. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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