Studie zeigt, wie Deutschland die Pandemie im Europa-Vergleich bisher bewältigt hat
Im europäischen Vergleich ist Deutschland in der Corona-Krise bisher extrem gut aufgestellt – von Intensivbettenkapazitäten über personelle Ressourcen bis hin zu Tests. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Doch bezogen auf Testungen nutzt Deutschland sein Potential nicht aus.
Einen vergleichenden Zwischenstand des Pandemie-Geschehens für Europa geben – das war das Ziel von Christiane Arentz und Frank Wild vom Wissenschaftlichen Institut der Privaten Krankenversicherungen (WIP). Die Autoren haben dafür die EU-15-Staaten unter die Lupe genommen. Dazu zählen:
Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien.
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Die Grafiken präsentierten die wichtigsten Ergebnisse, für die die Autoren unter anderem Daten der OECD und des Worldometers analysierten.
Intensivbetten
In Europa gab es sehr unterschiedliche Voraussetzungen, was etwa die Intensivbettenkapazitäten angeht. Während pro 100.000 Einwohner in Deutschland 38,2 Intensivbetten zur Verfügung stehen, sind es in Portugal, und damit am anderen Ende der Skala, nur 4,2. Allerdings weisen die Autoren daraufhin, „dass die Zahlen für die jeweiligen Länder von unterschiedlichen Zeitpunkten und aus unterschiedlichen Quellen stammen, da es bisher keine einheitliche europaweite Erfassung gibt“.
Interessant ist im Hinblick auf Intensivbetten aber insbesondere, wie viele von ihnen nicht nur vorhanden, sondern insbesondere frei sind. In Deutschland errechneten die Autoren der Studie eine Auslastung von 64 Prozent. Das heißt, pro 100.000 Einwohner hätten 13,6 freie Betten zur Verfügung gestanden (Stand: 16.6.).
Wissenschaftliches Institut der PKV Anzahl der Intensivbetten auf 100.000 Einwohner
Personal
Die Studienautoren ermittelten zudem die personellen Ressourcen in europäischen Krankenhäusern. Während Dänemark, Österreich, Frankreich und Deutschland überdurchschnittlich viele Ärzte und Pflegekräfte auf 1000 Einwohnern haben (in Deutschland waren in der Rechnung auch Hebammen enthalten), gab es besonders in Finnland im Vergleich sehr wenig personelle Ressourcen.
Was die Arbeitsbelastung angeht, war Deutschland allerdings ebenfalls unter den ersten Plätzen. „Auf einen vollzeitbeschäftigten Krankenhausarzt kommen im Jahr 124 Fälle, auf eine vollzeitbeschäftigte Pflegekraft 60 Fälle“, schreiben Arentz und Wild.
Wissenschaftliches Institut der PKV Ärzte und Krankenhauspflegekräfte pro 100.000 Einwohner
Testungen
Deutschland hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und in Relation zu den Einwohnern weniger Menschen auf Covid-19 getestet, „hätte allerdings sehr hohe Testkapazitäten, die bisher nicht ausgelastet werden“. Anfang Juni gab es demnach Kapazitäten von einer Million Tests pro Woche. Allerdings wurde davon den Autoren zufolge nicht einmal die Hälfte in Anspruch genommen.
Wissenschaftliches Institut der PKV Tests bezogen auf 1 Million Einwohner
Covid-19-Fälle
Das Land mit den wenigsten offiziell bestätigten Infizierten – die also auch getestet wurden – ist Griechenland. Deutschland liegt mit knapp 2000 pro einer Million Einwohner auf Platz 5 im Ländervergleich. Ganz am Schluss folgt Luxemburg mit mehr als 6000 Infizierten pro einer Million Einwohner.
Allerdings werden in Luxemburg besonders viele Menschen auf Covid-19-Infektionen getestet. „Dagegen testen manche Länder, die unterdurchschnittlich viele Infizierte aufweisen, auch im Vergleich zu anderen Ländern relativ wenig“, schreiben die Autoren – zu diesen Ländern gehört Deutschland ebenfalls.
Wissenschaftliches Institut der PKV Infizierte auf 1 Million Einwohner
Todesfälle
Überdurchschnittlich viele Menschen starben dem WIP-Bericht zufolge in Belgien infolge der Virusinfektion, gefolgt von Großbritannien, Spanien, Italien und Schweden. Besonders wenige Tote beklagten hingegen Griechenland, Finnland, Österreich, Dänemark und Deutschland. Aber auch diese Zahlen sind mit den Zahlen der Tests in Zusammenhang zu betrachten.
„Luxemburg, das auf eine Million Einwohner die meisten nachgewiesenen Infizierten aufweist, hat dagegen nur unterdurchschnittlich viele Todesfälle zu vermelden. Da es auch das Land mit dem mit Abstand höchsten Tests pro Einwohner ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese Zahlen das Ausbruchsgeschehen relativ verlässlich widerspiegeln“, heißt es im WIP-Bericht.
Wissenschaftliches Institut der PKV Todesfälle auf 1 Million Einwohner
Warum sind die Länder bisher so unterschiedlich betroffen?
Auch auf diese Frage geben die Autoren der WIP-Studie Antworten. Als Risikofaktoren, die bei einer ersten Welle bereits eine Rolle gespielt haben und bei einer weiteren ebenfalls bedeutsam werden könnten, zählen sie auf:
- Clusterinfektionen
- demografische Risiken, wie
- das Alter der Bevölkerung und Haushaltsstrukturen, also etwa, ob ältere Menschen oft mit jüngeren in einem Haushalt wohnen
- das Alter der Infizierten
Zum Alter der Infizierten in den verschiedenen Ländern haben die Autoren ermittelt, dass insbesondere in Finnland eher junge Menschen mit dem Virus infiziert waren. Etwa 60 Prozent der Infizierten war 50 Jahre oder jünger. In Deutschland waren es fast 50 Prozent. In Italien hingegen war die deutliche Mehrzahl (etwa 70 Prozent) der Covid-19-Betroffenen älter als 50 Jahre.
Wissenschaftliches Institut der PKV Prozentualer Anteil der über 50-Jährigen an allen Infizierten
Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass Deutschland im Falle einer zweiten Welle gut gerüstet wäre. Allerdings weisen sie daraufhin, dass die Untersuchung, „aufgrund der sich ständig ändernden Informationslage“, keine abschließenden Antworten liefern kann, sondern lediglich einen Zwischenstand. Auch nutzen die Autoren verschiedene Datenquellen für einzelne Länder, was die Vergleichbarkeit erschwert.
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