Neue Arzneimittel 2018: Gerinnung und Entzündung
Was haben Blutgerinnung und Immunabwehr gemeinsam? Beidesind komplexe, störanfällige Systeme, die sich gemäß der Virchow-Trias sogargegenseitig beeinflussen können. Außerdem bieten sie zahlreichepharmakologische Angriffspunkte. Daher ist es nicht überraschend, dass unterden Neuentwicklungen von 2018 auch Arzneimittel gegen Gerinnungsstörungen undentzündliche Erkrankungen sind.
Der vierte Teil des DAZ.online-Forschungsrückblicks drehtsich um neue Immun- und Gerinnungs-Therapeutika. Nachdem in den vergangenenJahren einige neue Antikoagulanzien auf den Markt kamen, bedienen zweiNeueinführungen in 2018 die „Gegenseite der Gerinnungsmedallie“ – Hämophilie. Während Antikoagulanzien patientenstarke Indikationen wiebeispielsweise Vorhofflimmern bedienen, ist der Hämophiliemarkt mit etwa 6000 Betroffenen in Deutschland deutlichkleiner.
Für Neuentwicklungen sind die Betroffenen dennocheine attraktive Zielgruppe, da sie lebenslang auf die Substitution des jeweilsfehlenden Gerinnungsfaktors angewiesen sind. So benötigen Hämophilie-A-Patienten den Gerinnungsfaktor VIII, während es beiHämophilie B an Faktor IX fehlt. Die beiden Neueinführungen Hemlibra® undAdynovi® sind für Patienten mit Hämophilie A bestimmt, die fünf bis sechsmalhäufiger als Hämophilie B auftritt.
Länger wirksam durch Pegylierung
Bei Adynovi® (Rurioctocog alfa pegol) handelt es sich um einen modifizierten humanenBlutgerinnungsfaktor VIII, dessenHalbwertszeit durch Pegylierung verlängert ist. Ohne Modifizierung müssen Hämophilie-Patientensich den Faktor VIII zur Routineprophylaxe etwa alle zwei bis drei Tageinfundieren. Bei dem neuen Baxalta-Präparat genügen zwei Basisbehandlungen dieWoche.
Fürdie Betroffenen ist die längere Wirkdauer eine Erleichterung. DiesenWettbewerbsvorteil haben auch andere Hersteller erkannt, so wollen auch Bayerund Novo Nordisk pegylierte Gerinnungsfaktoren einführen. 2018 kam es in den USAzu patentrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Bayer und der Baxalta-MutterShire.
Hemlibra:Auch bei Hemmkörpern
Etwa jeder dritte Hämophilie A Patient bildet im Laufe derBehandlung Antikörper gegen den subsituierten Faktor VIII. Diese Komplikationwird Hemmkörper-Hämophilie genannt und steigert das Risiko fürlebensbedrohliche Blutungen. Der Hemlibra®-Wirkstoff umgeht das Problem: Bei Emicizumab handelt es sich um einenbiphasischen Antikörper, dergleichzeitig an Faktor IXa und X bindet und damit die Funktion von Faktor VIIIimitiert.
Da sich Emicizumab strukturell von Faktor VIII unterscheidet,wird es nicht von Faktor VIII-Antikörpern neutralisiert. Hemlibra® wird einmalpro Woche injiziert, also noch seltener als Adynovi®. Eine Ausweitung derIndikation liegt für Hersteller Roche nahe. In den USA hat Hemlibra® denBreakthrough Status für die Behandlung der Hämophilie ohne Hemmkörper erhalten.
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