Mein liebes Tagebuch
Die Apothekenreform wird durchgezogen, aber holla! Spahn ganz tricky mit Gesetz und Verordnung. Was davon auf der Strecke bleibt und wie der Zaubertrick ausgeht? Wir kämpfen derweil mit dem Rahmenvertrag und seinen Preisankern, einer halbseidener Friedenspflicht mit Kassen, drohenden Retaxationen und massiven Lieferengpässen. Und „freuen“ uns über die Versandhandelsempfehlung des Bundeskartellamts. Und dann ist da noch die ABDA, die verständnisvoll und kuschelnd den politischen Willen pro Rx-Versand akzeptiert, die aber gleichzeitig Schiss vor Abholfächern von Vor-Ort-Apotheken hat. Mein liebes Tagebuch, wenn man eine solche Standesführung hat, fängt man langsam an, Spahn zu lieben.
8. Juli 2019
Na, mein liebes Tagebuch, so langsam wird es ernst mit der Spahnschen Apothekenreform. Dem Vernehmen nach soll das Apotheken-Stärkungsgesetz schon am 17. Juli vom Bundeskabinett beschlossen werden. Allerdings geht Spahn dabei ein bisschen tricky vor. Denn er nimmt sein Gesetzesvorhaben auseinander: Die geplanten Honoraranpassungen (Erhöhung der Notdienstpauschale auf 350 Euro und Erhöhung der BtM-Vergütung auf 4,26 Euro) wird ans Bundeswirtschaftsministerium übergeben und in eine Verordnung ausgegliedert. Auch die geplanten Änderungen an der Apothekenbetriebsordnung (z. B. zu Arzneimittelautomaten, zu Botendiensten und zur Temperaturkontrolle) werden in eine Extra-Verordnung ausgegliedert. Sie sollen dann zusammen mit den Änderungen zur Arzneimittelpreisverordnung in einer Sammelverordnung umgesetzt werden. Der Vorteil dieser Aufspaltung: Spahn umgeht damit mögliche Konflikte mit dem Bundestag. Denn den Verordnungen muss nur noch der Bundesrat zustimmen. Für das eigentliche Gesetzesvorhaben des Apotheken-Stärkungsgesetzes bleiben dann noch die geplante Verschiebung des Rx-Boni-Verbots aus dem Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch und einige weitere Änderungen. Mein liebes Tagebuch, diese Aufspaltung in eine Sammelverordnung und eine Gesetzesänderung kann Vorteile haben und mag nicht das Schlechteste sein. Doch der große Hammer bleibt uns nicht erspart: die Streichung des einheitlichen Rx-Arzneimittelpreises aus dem Arzneimittelgesetz – die Tragweite dieser Maßnahme kann noch deutliche Folgen für unsere Apothekenlandschaft haben.
Unser Bundeskartellamt sieht den Arzneimittelversandhandel aus Sicht der Nachfrager als eine „wirtschaftlich sinnvolle Bezugsalternative zu den stationären Apotheken“ an. Wie es in dem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes aus den Jahren 2017 und 2018 heißt, beträgt „der addierte Marktanteil aller Versandapotheken bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln derzeit rund 1,3 Prozent und bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln rund 13,4 Prozent“. Mein liebes Tagebuch, solche Betrachtungen kommen zustande, wenn ein Bundeskartellamt Arzneimittel auf eine simple Arzneimittelpackung, auf eine Ware wie Schuhkartons oder Schraubenschachteln reduziert. Eine Behörde wie das Bundeskartellamt sieht im Arzneiversandhandel einen einfachen Warenverkauf – ohne Rücksicht darauf, was da alles an einem Arzneimittel hängt, angefangen bei einer begleitenden Anwendungsberatung bis hin zum Medikationsmanagement und zu den Gemeinwohlpflichten der Apotheken. Mein liebes Tagebuch, kann mal jemand dem Bundeskartellamt erklären, was Arzneimittel eigentlich sind?
Der neue Rahmenvertrag, der am 1. Juli in Kraft getreten ist, macht uns das Leben in unserem Praxisalltag schwer. Vor allem im Generikabereich wird die Versorgung unserer Patienten dadurch immer schwieriger und komplizierter. Denn der Arzt setzt mit seiner Verordnung einen „Preisanker“ – mein liebes Tagebuch, ist das nicht ein wunderbar euphemistischer Begriff? Schöner kann man das Desaster nicht ausdrücken. Dieser Preisanker setzt das Limit: Das abgegebene Arzneimittel darf nicht teurer sein als das namentlich verordnete. Was die Sache dabei kompliziert macht und einen mitunter die Haare raufen lässt, sind die wegen Lieferengpässen nichterfüllbaren Rabattverträge – die in frage kommenden Billigarzneimittel sind schlicht und einfach nicht auf dem Markt verfügbar. Und dann beginnt das Theater: Der Patient kann nicht versorgt werden! Wo und wann gibt’s wieder die Billigarzneimittel? Und schließlich wird Rücksprache mit dem Arzt notwendig, ein anderes Arzneimittel zu verordnen mit höherem Preisanker. Mein liebes Tagebuch, hätten wir jemals gedacht, dass wir uns als Apotheker mit Ankern befassen müssen? Mit Pharmazie hat das gelinde gesagt wenig zu tun. Wo soll das hinführen?
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