Es muss nicht immer die Pille sein
Die Antibabypille ist bei jugendlichen Frauen in Deutschland die unangefochtene Nummer eins bei Verhütungsmitteln. In einer großangelegten Befragungsstudie gaben fast 90 Prozent der Teilnehmerinnen zwischen 14 und 19 Jahren an, mit der Pille zu verhüten. Alle anderen Verhütungsmittel zusammen kamen auf etwa neun Prozent. Der Anteil der Teenager, die nicht verhüten, ist verschwindend gering.
„Das ist die gute Nachricht“, sagt Patricia Oppelt, Kinder- und Jugendgynäkologin und Mitautorin dieser so genannten Tanco-Studie. „Schon die ganz jungen Mädchen haben ein starkes Bewusstsein dafür, wie wichtig Verhütung ist.“ Es komme immer seltener vor, dass Mädchen ohne Schutz das erste Mal Sex hätten.
An sich hält Oppelt die Pille für eine geeignete Einstiegsmethode: „Die Anwendung ist einfach.“ Zusätzlich könne sie gegen Regelschmerzen oder unreine Haut helfen. Auch der Schutz vor ungewollten Schwangerschaften sei sehr hoch, höher als bei Kondomen. „Das gilt aber nur, wenn die Pille regelmäßig eingenommen wird“, so Oppelt.
Genau hier hapert es. In der Befragung gaben 35 Prozent der jugendlichen Frauen an, in den vergangenen drei Monaten die Pille ein- bis zweimal vergessen zu haben. Bei elf Prozent der Befragten passierte dies sogar dreimal oder öfter. „Insgesamt nimmt also fast die Hälfte der jungen Frauen die Pille unregelmäßig – das hat mich schon erschreckt,“ sagt Studienautorin Oppelt.
Jugendliche wissen kaum Bescheid
Neben den Jugendlichen wurden auch ihre Frauenärzte befragt. Diese hielten ihre Patientinnen für wesentlich zuverlässiger und schätzten, dass nur 34 Prozent die Pille mindestens einmal im vergangenen Vierteljahr vergessen hatten. Tatsächlich waren es ja aber 46 Prozent. Die unregelmäßige Einnahme sei übrigens nicht altersabhängig, sagt Oppelt. „Bei Befragungen mit älteren Frauen kommen wir auf ähnliche Werte.“
Tanco-Studie
Für die Studie „Thinking Of Needs in Contraception“ wurden 2015 insgesamt 18.521 Frauen zwischen 14 und 50 Jahren sowie 1089 Gynäkologen in Deutschland befragt. Erste Ergebnisse erschienen im April 2017 im Fachblatt „Archives of Gynecology and Obstetrics“. Den Teil der Daten, der sich auf die 14- bis 19-Jährigen bezieht, haben Forscher nun gesondert untersucht und im Journal „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ veröffentlicht. In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Pharmakonzern Jenapharm, der alle gängigen Verhütungsmittel herstellt.
Auch das Wissen, das die Jugendlichen über die einzelnen Verhütungsmethoden hatten, unterschätzten die Gynäkologen deutlich. Die Ärzte gingen davon aus, dass mehr als 80 Prozent ihrer Patientinnen wissen, dass die Pille den Eisprung verhindert. Tatsächlich war dies nur 43 Prozent der Befragten klar.
Insgesamt stellten die Forscher den Teilnehmerinnen je zwölf Fragen zur Wirkweise verschiedener Verhütungsmethoden, neben der Pille zum Beispiel auch zur Hormon- und Kupferspirale sowie zum Vaginalring. Im Fall der Pille beantwortete die Mehrheit der jungen Frauen neun dieser Fragen falsch oder gar nicht – selbst wenn sie die Pille selbst einnahmen.
„Das zeigt, dass die Aufklärung in den Frauenarztpraxen noch zu wünschen übrig lässt“, resümiert Oppelt, die als niedergelassene Gynäkologin arbeitet. Auch die Jugendlichen wünschen sich mehr Informationen. 70 Prozent gaben an, sie würden gerne mehr über Alternativen zur Pille wissen. Die befragten Ärzte gingen davon aus, dass lediglich 30 Prozent dieses Interesse hegten.
Nachdem ihnen bei der Online-Befragung kurze Informationstexte zu jeder Methode zu Verfügung gestellt wurden, sagten 68 Prozent der Teilnehmerinnen, dass für sie eine Langzeitverhütungsmethode infrage käme – etwa eine Hormon- oder Kupferspirale, ein Vaginalring oder ein Hormonimplantat. „Diese Methoden würde ich vor allem älteren Jugendlichen empfehlen, die sich mit der regelmäßigen Einnahme der Pille schwertun“, so Oppelt.
Fazit der Studie: Dass so viele junge Frauen mit der Antibabypille verhüten, liegt nicht unbedingt daran, dass diese das geeignetste Verhütungsmittel sei. „Viele wissen einfach nicht, was es alles gibt und welche Vor- und Nachteile die anderen Methoden haben“, sagt Oppelt. Frauenärzten rät sie, ihre Patientinnen alle ein bis zwei Jahre zu fragen, ob sie zufrieden sind mit ihrer Wahl oder ob sich ihre Bedürfnisse geändert haben. „Vor 20 Jahren gab es kaum Alternativen zur Pille, heute haben wir eine große Auswahl. Die sollten wir nutzen.“
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