Nach Desaster bei Krebs-Test – worauf Patienten noch vertrauen können
Den Krebs entdecken, bevor er ausbricht – das ist einer der großen Träume von Krebsforschern. Früheste Hinweise auf einen Tumor suchen sie in den Körperflüssigkeiten, vor allem im Blut. Nur wenige Methoden können im Praxis-Test die vollmundigen Ankündigungen erfüllen.
Zunächst war die Angelegenheit nur peinlich: Die Universität Heidelberg musste im März einräumen, dass der Bluttest eines ihrer leitenden Ärzte keineswegs der vollmundig angekündigte „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ war, der im Februar mit einem großen PR-Auftritt präsentiert und dann in vielen Medien als Sensation angepriesen wurde. Im Gegenteil: Jedes dritte positive Ergebnis war im Praxistest falsch.
Jetzt ist daraus eine Fall für den Staatsanwalt geworden: Die Universität hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Der Vorwurf lautet „unlauteres Vorgehen“ der beteiligten Wissenschaftler schon bei der Entwicklung des Tests. Momentan ist nicht einmal klar, wer die Methode überhaupt entwickelt hat, mit der die Universitäts-Ausgründung Heiscreen erst an die Öffentlichkeit und später auf den Markt drängen wollte.
Neben der fragwürdigen Testqualität geht es bei diesem Wissenschaftsskandal vor allem um fehlende Publikationen der klinischen Studien, finanzielle Verwicklungen und Interessenkonflikte. Im Zentrum steht der Direktor der Universitäts-Frauenklinik, Christoph Sohn.
Neue Krebs-Bluttests am laufenden Band – keiner ist praxisreif
Das medienwirksame Vorpreschen mit einem völlig unausgegorenen Test mit all seinen Folgen mag für Universitäts-Mediziner untypisch sein. Was die bescheidene Qualität der Krebsvorhersage angeht, steht der Heidelberger Brustkrebstest allerdings nicht allein.
In den letzten Jahren sind immer wieder Tests vorgestellt worden, die im Blut Krebszellen entweder besonders früh entdecken oder zehn und mehr Krebsarten erkennen wollten. In den medizinischen Alltag hat es bisher keine der Methoden geschafft, die von Wissenschaftlern schon als „heiliger Gral“ der Onkologie bezeichnet wurden.
Das Ziel: Früherkennung im Blut, bevor Krebs ausbricht
Die Suche nach Krebszellen im Blut, seltener im Urin oder auch im Speichel, ist mit so viel Hoffnung verbunden, weil es bisher nur für wenige Krebsarten massentaugliche Früherkennungsmethoden gibt. Die frühestmögliche Entdeckung ist aber die beste Möglichkeit, eine Krebserkrankung zu heilen.
Außerdem ist das Sammeln von ein paar Tropfen Blut oder anderen Körperflüssigkeiten wesentlich unkomplizierter als das Röntgen (Brustkrebs), ein Abstrich (Gebärmutterhalskrebs) oder eine Koloskopie (Darmkrebs) der üblichen Screening-Methoden.
Die „Liquid Biopsy“ kann Krebs nachweisen, nicht vorhersagen
Die Liquid Biopsy (Flüsssigbiopsie), also die Suche nach Krebsmarkern vor allem im Blut, soll außer der Früherkennung auch die Kontrolle von Behandlungserfolgen erleichtern: Ärzte sehen in Blutproben, wenn sich Metastasen bilden, ein Patient einen Rückfall erleidet oder Krebsmedikamente nicht mehr wirken. Die Analyse der im Blut schwimmenden Tumorzellen erlaubt dann eine Therapie-Anpassung und -Verbesserung.
Fazit: Hier, bei der Kontrolle der Krebsaktivität, liegt derzeit die größte Möglichkeit, Körperflüssigkeiten als Untersuchungsmedium zu nutzen. Ein konkreter Einsatz, etwa bei Lungenkrebs, findet im Rahmen von Studien an Krebszentren statt.
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Eine einzige Blut-Früherkennung ist heute Standard
Grundsätzlich ist die Idee, Krebs in Blut oder anderen Körperflüssigkeiten nachzuweisen, nicht neu. Vor allem bestimmte Zucker-Eiweiß-Moleküle im Blut lassen sich als Tumormarker lesen. Meist werden sie aber erst analysiert, wenn eine Krebsdiagnose schon feststeht. Eine Ausnahme macht der PSA-Test, der schon seit Jahrzehnten in der Praxis angewandt wird.
Er weist das prostataspezifische Antigen (PSA) im Blut nach. Die Konzentration des Zucker-Eiweiß-Proteins ist deutlich erhöht, wenn die Vorsteherdrüse von Krebs befallen ist. Der Test ist zuverlässig in der Messung, erlaubt aber keine verlässliche Krebsvorhersage. Das liegt am stark schwankenden PSA-Wert. Für eine aussagekräftige Information muss der Test mehrfach in Abständen durchgeführt werden. Nur wenn die Werte jedesmal ähnlich hoch sind, muss von Krebs ausgegangen werden.
Fazit: Der PSA-Test ist heute der einzige Bluttest, der tatsächlich zur Krebsfrüherkennung genutzt wird. Er wird vor allem jüngeren Männern empfohlen, die ein Risiko für Prostatakrebs haben.
Bluttests für bis zu 10 Krebsarten – eines Tages
Forscher vom Krebsinstitut der Cleveland Clinic haben im Herbst 2018 einen Bluttest vorgestellt, der gleich zehn verschiedene Krebsarten entdecken kann, bevor die Krankheit sich durch Symptome bemerkbar macht. Studienleiter Eric Klein sprach vom „Heiligen Gral der Krebsforschung“ und meinte damit, schwer behandelbare Krebsarten schon dann zu entdecken, wenn sie noch therapierbar sind.
Der Test sucht DNA-Bestandteile von Krebszellen im Blut. Allerdings schwankt die Präzision sehr: von 90 Prozent für Eierstockkrebs bis nur 56 Prozent für Kopf- und Hals-Krebs.
Ganz ähnlich funktioniert eine Entwicklung vom Kimmel-Krebszentrum in Baltimore, die Anfang 2018 Schlagzeilen machte. Der in einer Pilotstudie an 1000 Patienten geprüfte Bluttest soll acht Krebsarten anhand von Erbgut-Schnipseln erkennen. Auch hier schwankt die Genauigkeit zwischen 68 und 98 Prozent.
Von der Einführung in die Praxis sind diese Tests noch weit entfernt. Dennoch sehen Forscher wie Eric Klein sie als potenzielle Krebsprävention, die eines Tages alle Bürger im mittleren Alter in Anspruch nehmen sollten – und so eine drohende Krebserkrankung im Keim ersticken könnten.
Fazit: Die Früherkennungstests für mehrere Krebsarten haben alle eine stark schwankende Genauigkeit je nach Krebsart. Erst wenn die Präzision besser ist, kann so ein Test in der medizinischen Praxis eingesetzt werden.
FOCUS Online/Wochit Hoffnung für Millionen: Neuer Bluttest kann acht Krebsarten im Frühstadium erkennen
Minutenschneller Krebs-Nachweis
Australische Forscher haben einen Schnelltest entwickelt, der typische Unterschiede in der DNA von Tumor- und gesunden Zellen erkennt. Ein Tropfen Blut genügt, und in wenigen Minuten ist klar, ob ein Patient Krebs hat.
Die Forscher der Universität von Queensland in Brisbane glauben, dass sie damit einen universellen Biomarker für Krebs gefunden haben und ihr Test bei jeder beliebigen Krebserkrankung anwendbar ist. Bisher registriert der Test allerdings lediglich die Anwesenheit von Krebszellen, er kann aber keine Aussagen über die Krebsart machen oder wie weit die Krankheit fortgeschritten ist.
Fazit: Das größte Problem der Bluttests zur Früherkennung: Während sich Krebs im fortgeschrittenen Stadium leichter im Blut nachweisen lässt, schwimmt im Frühstadium nur wenig Krebs-DNA im Blut. Das Risiko einer falsch-negativen Aussage ist gefährlich hoch.
Krebssuche im Urin
Auch am Nachweis von Krebszellen im Urin wird gearbeitet. Allerdings ist diese Körperflüssigkeit nicht so verräterisch wie das Blut. Selbst bei Blasenkrebs eignet sich die Tumormarkersuche im Urin nicht für die Früherkennung.
Dennoch haben Forscher der Londoner Queen Mary University schon 2015 einen Urintest entwickelt, der Bauchspeicheldrüsenkrebs frühzeitig entdecken soll. Anhand dreier Proteine sei die Erkrankung mit einer Zuverlässigkeit von mehr als 90 Prozent nachweisbar – und zwar in einem Stadium, in dem dieser selten heilbare Tumor noch erfolgreich behandelt werden kann.
Fazit: Blasen-, Prostata- und möglicherweise Bauchspeicheldrüsenkrebs lassen sich im Urin nachweisen. Aber dafür muss schon eine ausreichende Zahl an Krebszellen beziehungsweise deren Tumormarker in der Flüssigkeit vorhanden sein. Urin ist daher ein eher unsicherer Kandidat für frühzeitige Krebstests.
Krebsnachweis im Speichel
DNA-Tests aus Speichelproben haben Forscher dazu gebracht, in dieser Körperflüssigkeit auch nach Krebshinweisen zu suchen. Wissenschaftler der University of California, Los Angeles (UCLA) haben zum Beispiel 2016 einen Speichelnachweis für Lungenkrebs in Angriff genommen. Er soll zum Einsatz kommen, wenn etwa Röntgenbilder verdächtige Knoten im Lungengewebe zeigen.
Fazit: Für die Früherkennung haben sich aber Speicheltests bisher nicht als erfolgreich erwiesen. Dafür eignet sich das Blut einfach am besten.
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