So steuern Bakterien unsere Gesundheit

Der Mensch ist ein Biotop mit verschiedenen Lebensräumen. Unterschiedliche Gruppen von Bakterien bevölkern unsere Haut, bilden einen Film auf der Darmwand, in der Nase und der Mundhöhle. Dort regeln sie die Verdauung, bekämpfen Eindringlinge, können aber auch selber Krankheiten und Beschwerden verursachen.

Erst langsam beginnt die Wissenschaft zu durchdringen, welche Bakterien sich wo, wie und warum in unserem Körper verbreiten und wie sie unsere Gesundheit beeinflussen. Einen großen Anteil daran hat das „Human Microbiome Project“, das 2007 durch die National Institutes of Health, eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, gegründet wurde. Jetzt ist der zweite Teil der Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienen.

Für das Projekt sammelte ein Forscherteam über mehr als zehn Jahre Blut und Stuhlproben, nahm Abstriche, analysierte Bestandteile des Immunsystems und die Zusammensetzung der Bakterien und versuchte, Muster zu erkennen. Insgesamt entstand so eine Datenmenge von 42 Terabyte.

Einfluss auf Frühgeburten und Darmerkrankungen

Für den jetzt veröffentlichten Teil des „Human Microbiome Projects“ analysierten die Wissenschaftler, ob und wie sich die Bakterienbevölkerung bei Menschen mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen verändert. Dabei konzentrierten sie sich auf drei Krankheitsbilder:

  • schwangere Frauen mit einer Frühgeburt,
  • Menschen mit einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit und
  • Personen mit einer Vorstufe von Diabetes Typ 2.

Die Ergebnisse verteilen sich auf mehr als 20 Manuskripte. Sie sprechen dafür, dass das Mikrobiom vor allem Frühgeburten und Darmerkrankungen beeinflusst, möglicherweise auch die Entwicklung von Diabetes.

Frühgeburten: Möglicher Zusammenhang mit Vitamin D

Für die Studie zu Frühgeburten begleiteten die Forscher rund 1500 Frauen während der Schwangerschaft, insgesamt sammelten sie mehr als 200.000 Proben – darunter Abstriche von Vagina, Rektum, Haut, Nase und Mundhöhle, sowie Blut und Urinproben.

Den Ergebnissen zufolge verändert sich die Besiedelung der Vagina im Laufe einer gesunden Schwangerschaft. Bei Frauen, die zu Beginn eine größere Bakterienvielfalt beherbergten, entwickelte sich das Mikrobiom im letzten Schwangerschaftsdrittel häufiger zu einer homogeneren Masse, bei der Milchsäurebakterien dominierten.

Bei Frauen hingegen, die ihr Kind zu früh zur Welt brachten, blieb häufiger bis zum Ende der Schwangerschaft ein größerer Bakterienmix bestehen. Dieser trat zudem häufiger bei Frauen mit einem niedrigeren Vitamin-D-Level auf. Die Auswirkungen auf die Bakterien könnten möglicherweise erklären, warum ein Vitamin-D-Mangel das Risiko für Frühgeburten erhöht, schreiben die Forscher.

Steigen Bakterien aus der Vagina in die Gebärmutter auf, können sie Theorien zufolge das Immunsystem der Mutter aus dem Takt bringen und dadurch eine zu frühe Geburt auslösen. Ebenfalls möglich ist, dass sie Enzyme und Toxine freisetzen, die dazu führen.

Chronische Darmentzündungen und Diabetes

Für einen weiteren Teil des Projekts begleiteten die Forscher 132 Personen mit chronischen Darmentzündungen ein Jahr lang, analysierten mehr als 1700 Stuhl-, mehr als 650 Gewebe- und über 500 Blutproben. Die Tests zeigten, dass die Darmbesiedelung bei Menschen mit chronischen Erkrankungen mitunter sehr instabil ist, zum Teil veränderte sie sich innerhalb von wenigen Wochen komplett. Solche Wechsel seien bei Personen mit einem gesunden Darm sehr selten, schreiben die Forscher.

Auch bei den Teilnehmern mit einer Vorform des Diabetes gab es Hinweise auf einen Einfluss der Untermieter, der Zusammenhang war jedoch noch weniger eindeutig. Alle Ergebnisse ebnen erst den Einstieg in eine Forschung, die irgendwann auch beim Patienten ankommt. Noch lässt sich aus den Beobachtungen nicht schließen, welcher Faktor was bedingt: Trägt etwa die Bakterienbesiedlung tatsächlich zur Darmkrankheit bei? Oder verändert die Krankheit die Bakteriengemeinschaft? Und welche Folgen hätte das wiederum?

„Wie alle großen Studien dieser Art werfen wir mehr Fragen auf, als wir beantworten“, schreiben die Forscher in ihrem Fazit. Sie verbinden ihre Arbeit jedoch mit einer Vision: In Zukunft könnten Millionen Daten einzelner Patienten – von der Aktivität des Immunsystems und der Gene, über die Bakterienbesiedlung bis hin zum Stoffwechsel – das Risiko für Krankheiten wie Diabetes aufzeigen. Dann ließe sich gegensteuern, lange bevor die Betroffenen etwas spüren oder andere eindeutige Anzeichen existieren.

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