Mehr als 10.000 Menschen wissen nichts von ihrer HIV-Infektion

In Deutschland gehen die HIV-Infektionen neuen Schätzungen zufolge leicht zurück: Eine Erhebung des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigt, dass sich im Jahr 2018 etwa 2400 Menschen neu mit HIV infiziert haben. 2017 gab es noch rund 2500 Neuinfektionen.

Demnach haben sich im vergangenen Jahr vor allem weniger Männer infiziert, die Sex mit Männern (MSM) haben und als größte Risikogruppe für HIV-Infektionen gelten: Von 2200 Neuinfektionen im Jahr 2013 schrumpfte die Zahl auf 1600 Neuinfektionen im Jahr 2018 – ein Rückgang um etwa 27 Prozent.

Diese Entwicklung sei wahrscheinlich in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es bei Männern, die Sex mit Männern haben, gelungen ist, die Testbereitschaft zu steigern und die Testangebote auszuweiten, so das RKI in seinem Epidemiologischen Bulletin . Außerdem wirke sich die Empfehlung zu einem sofortigen Behandlungsbeginn positiv aus. Eine erfolgreiche Therapie führt dazu, dass die Weitergabe von HIV nicht mehr möglich ist.

„Dieser Weg sollte konsequent weiter umgesetzt werden, insbesondere durch eine weitere Verbesserung der Testangebote und die Gewährleistung des Zugangs zur Therapie für alle Menschen, die in Deutschland mit HIV leben“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler.

Zahl der Menschen mit HIV-Infektion gestiegen

Die Zahl der Infektionen bei Menschen, die sich Drogen spritzen, ist dagegen auf einem niedrigen Niveau angestiegen. Etwa 310 Menschen haben sich im Jahr 2018 auf diese Weise mit HIV infiziert.

Etwa jede dritte Neuinfektion wird dem RKI zufolge erst diagnostiziert, wenn der Immundefekt fortgeschritten ist. Im Jahr 2018 sind geschätzt 440 Menschen an den Folgen einer HIV-Infektion gestorben. Die Gesamtzahl der Todesfälle seit Beginn der Epidemie in den Achtzigerjahren schätzen die RKI-Wissenschaftler auf 29.200.

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland mit einer HIV-Infektion leben, ist den Schätzungen zufolge bis Ende 2018 auf 87.900 gestiegen. Von diesen seien etwa 10.600 Fälle noch nicht diagnostiziert, heißt es in dem Bericht. „Wer von seiner Infektion nichts weiß, kann das Virus unbeabsichtigt weitergeben, außerdem ist bei Spätdiagnosen die Sterblichkeit höher“, sagte Wieler. Betroffene mit Spätdiagnosen leiden oft an Aidssymptomen wie zum Beispiel Lungenentzündungen durch Pilze.

Der Anteil der Menschen mit einer HIV-Diagnose, die eine antiretrovirale Behandlung erhalten, hat in den vergangenen Jahren dem Bericht zufolge stetig zugenommen und liegt inzwischen bei 93 Prozent. Bei 95 Prozent der Behandelten sind die Medikamente erfolgreich, sodass die Betroffenen die Krankheit nicht mehr weitergeben können. Seit 2015 empfehlen die HIV-Behandlungsleitlinien, jede diagnostizierte HIV-Infektion in Deutschland umgehend antiretroviral zu therapieren. Die Empfehlung, Kondome zu benutzen, bleibt weiter ein Grundpfeiler der Prävention von HIV und weiteren sexuell übertragbaren Infektionen.

Die Deutsche Aidshilfe wertete den Rückgang bei den Neuinfektionen als Erfolg der Prävention und der HIV-Therapie. Es gelte aber, weitere Präventionslücken zu schließen, forderte Vorstandsmitglied Sylvia Urban unter anderem mit Blick auf die steigenden Neuinfektionen bei Drogenkonsumenten. Vermeidbare HIV-Infektionen entstünden auch, weil es nach wie vor keine Abgabe sauberer Spritzen in Haft gebe und weil Menschen ohne Aufenthaltspapiere faktisch keinen Zugang zur HIV-Therapie hätten.

Das RKI schätzt die Zahl der HIV-Neuinfektionen jedes Jahr neu. Durch zusätzliche Daten und Informationen sowie Anpassung der Methodik können sich die Ergebnisse der Berechnungen von Jahr zu Jahr verändern und liefern jedes Jahr eine aktualisierte Einschätzung des gesamten bisherigen Verlaufs der Epidemie. Die geschätzten Neuinfektionen sind nicht zu verwechseln mit den beim RKI gemeldeten Neudiagnosen. Da HIV über viele Jahre keine auffälligen Beschwerden verursacht, kann der Infektionszeitpunkt länger zurückliegen.

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