Eckart von Hirschhausen verrät seine sieben besten Strategien gegen Stress

1. Pausen machen – und schlafen

Kinder wollen immer wach bleiben. Jugendliche die Nacht durchmachen. Erwachsen ist man dann, wenn man weiß, was für ein Luxus es ist, schlafen zu dürfen. Mal freiwillig früh ins Bett zu gehen. Oder auf einer Party zu gehen, wenn es wirklich am schönsten ist, und nicht drei Stunden später. Wobei lange ausschlafen am Morgen nicht mein Ding ist. Jeder Jeck ist anders. Was ich wirklich hoch halte, ist die Siesta: Von Spanien lernen heißt liegen lernen. Und wenn es nur zehn Minuten sind. Es ist für die Erholung auch nicht erheblich, ob man komplett „weg“ war oder nur döste. Hauptsache mal in der Nachmittagszeit kurze mentale Pause. Dazu habe ich drei existenzielle Hilfsmittel: eine gemütliche Schlafbrille, gute Kopfhörer, die Außengeräusche minimieren (Noise-Cancelling heißt das auf modern) und irgendetwas, was als Kissen taugt, ein Pulli oder so eine Nackenkissenwurst. Dann braucht es noch einen Wecker, denn länger als 20 Minuten sollte die Pause nicht sein, sonst rutscht man in den Tiefschlaf und wird eher matschig danach als frischer. Mir ist klar, dass ich als Selbstständiger viel freier in meiner Zeiteinteilung bin als andere Berufsgruppen. Pausenzeiten sind aber in allen Gewerken vorgeschrieben. Und fortschrittliche Unternehmen haben nichts gegen Mitarbeiter, die sich gut pflegen. Denn halb wach den Nachmittag mit Kaffee, Klönen und Keksen zu verbringen, bringt niemandem was.

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2. Bewegen!

Ein Buch, das diese Idee auf den Punkt bringt, schrieb der amerikanische Stressforscher Robert Sapolsky: „Warum Zebras keine Migräne kriegen“ (Piper Verlag). Ein Zebra hat echt Stress, wenn ein Löwe hinter ihm her ist. Und wir können uns schon in der Stresssituation fragen: Lohnt der Stress überhaupt? Wir leben in einer modernen Zeit, mit einem Körper, der aus der Steinzeit stammt und der auf Gefahrensituationen immer noch mit Fluchtinstinkten reagiert. Die frohe Botschaft: Säbelzahntiger sind selten geworden. Wenn Sie Stress haben, drehen Sie sich um. Ist da ein lebensgefährliches Tier? Vielleicht ist es nur eine Druckerpatrone, die klemmt und uns den letzten Nerv raubt. Kein Raubtier. Mir hilft dann am besten, einmal um den Block zu gehen. Frische Luft, kurz „auspowern“, vielleicht im Gehen auch einen lieben Menschen anrufen. Und wenn das nicht geht mit dem Gehen, hüpfe ich auf der Stelle und stelle mir vor, wie der Stress an mir herabfällt. Was auch hilft: Jemand klopft einem auf die Schulter oder den Rücken ab. Das habe ich von den Clowns meiner Stiftung „HUMOR HILFT HEILEN“ gelernt, die nach einem Vormittag in der Kinderklinik viel emotionale Belastungen mit sich schleppen. Dann klopfen die sich gegenseitig den „Staub“ von den Schultern, legen bewusst die „Berufskleidung“ ab und die normale Klamotte an und gehen dann mit weniger Last nach Hause. In den Seminaren für Pflegekräfte geben wir diese Tipps auch weiter. Sich diese Pausen vor und nach dem Dienst zu gönnen, um bewusst in die Situation hineinzugehen und anschließend wieder raus. Und drei Atemzüge zu nehmen, bevor man eine Tür zu einem Patientenzimmer öffnet. Einen Atemzug um loszulassen, was vorher war. Einen, um loszulassen was noch in den nächsten Zimmern kommt. Und einen, um jetzt da zu sein für diese Begegnung mit jemandem, der den ganzen Tag auf einen gewartet hat. Mir hilft es. Probieren Sie es aus!

3. Nein sagen

Ein befreundeter Trainer und Coach, Jens Corssen, hat die Gabe, psychologische Dinge in einfache Sätze zu packen. Sein Kurs „Der Selbstentwickler“ hat mir viel geholfen, jede Situation als eine „Trainingseinheit“ zu begreifen, an der ich reifen und lernen kann. Was ich mit zunehmendem Alter besser kann als früher, ist, Dinge klar und entschieden abzulehnen. Jens sagt: „Stress entsteht, wenn du Ja sagst, aber Nein denkst.“ Recht hat er. Dinge widerwillig zu tun, mit angezogener Handbremse und künstlich hochgezogenen Mundwinkeln ist Stress. Damit tut man niemandem einen Gefallen. Ich kann nicht allen gefallen, ich bin ja kein Nutella-Glas. Und ich kann auch nicht ändern, dass manche Leute das dann doof, arrogant oder daneben finden, wenn ich ihre Wünsche nicht erfülle.

4. Ja sagen

Zu Sinn. Ebenfalls von Jens stammt die „Bettkantenübung“: Sich morgens an der Bettkante fragen: Wofür stehe ich heute auf? Und ich ergänze gern: „Und wenn Ihnen nichts einfällt, bitte liegen bleiben!“ Es ist in der Tat sehr anstrengend, für einen selbst und alle, die mit einem zu tun bekommen, wenn man schlecht gelaunt herumläuft und lieber liegen geblieben wäre. Umso angenehmer sind „Jasager“ im Umgang. Menschen, die wissen, was sie wollen, und das auch sagen können. Die einen höheren Sinn im Leben vermuten und gern dazu beitragen, ohne sich selbst zu wichtig dabei zu nehmen. Weil sie sich dazu entschieden haben. Jeden Tag neu.

5. Improvisieren lieben!

Einsetzende Erschöpfung

Zu viel Stress? Auf diese Alarmsignale sollten Sie achten

Mit dem Lebenskunst-Philosophen Wilhelm Schmid habe ich viel über „Glück“ gesprochen, weil wir zeitgleich dazu Bücher geschrieben haben, mit unterschiedlichen Akzenten. Einer seiner Gedanken, die mich seitdem begleiten, ist die simple Erkenntnis, dass der Alltag eine Menge Alltägliches mit sich bringt, vielleicht sogar 80 Prozent der Zeit. Die übertriebene Suche nach Glück und Perfektion macht uns reihenweise unglücklich. Offen zu bleiben für die Dinge, die wir so nie geplant oder gewollt hatten, die aber nun mal so sind, wie sie sind, erfordert eine hohe geistige Disziplin, die einem gerade im Stress als Erstes abhandenkommt. Ich weiß aber aus jahrzehntelanger Erfahrung auf der Bühne, dass die größten Lacher nie die geplanten waren, sondern die spontanen Momente, in denen ich mich ins Publikum begebe und damit bewusst aufs Glatteis, ins Unvorhersagbare. Aber je öfter man improvisiert, desto sicherer wird man in dem Gefühl, dass es auch gar nicht alles das Gelbe vom Ei sein muss, was dann kommt. Menschen respektieren allein schon den Mut, sich dieser Situation auszusetzen. Mein Pianist Christoph Reuter macht das als Jazzmusiker ebenfalls zum Prinzip. Ich rufe ihm einen Zuschauer-Geburtstag zu, aus den Ziffern macht er eine zufällige Tonfolge, und über diese oft völlig unharmonische Melodie macht er ein spontanes Stück. Jeden Abend neu. Wenn Sie jetzt denken: „Was hat das mit meinem Leben zu tun?“ – das ganze Leben ist improvisiert, nicht vorhersagbar, immer ein: „Ich mache das Beste draus“. Oder haben Sie schon mal gelebt? Keiner weiß, was kommt. Und je mehr wir die Angst verlieren und je mehr wir wie Kinder das Neue und Unerwartete umarmen, desto weniger bereitet es uns Stress.

6. Hier und Jetzt

„Achtsamkeit“ klingt schnell so hochtrabend. Dabei kann es schon unglaublich helfen, da wo man gerade geht und steht, drei tiefe Atemzüge zu nehmen. Es gibt wenige medizinische Ratschläge, die für alle Menschen gelten. „Weiteratmen“ ist einer, der praktisch immer anwendbar ist. Ich nutze das bewusster, seit ich einen Kurs in „MBSR – Mindfulness-Based Stress Reduction“ in den USA gemacht habe, bei den Vorreitern dieser Bewegung, schon vor 15 Jahren. Inzwischen ist das überhaupt nichts Esoterisches mehr. Die Idee, Stress im Kopf besser wahrnehmen und umdeuten zu können, ist in Deutschland und der Mitte der Gesellschaft angekommen. Krankenkassen zahlen oder unterstützen Kurse, es gibt sie an vielen Stellen und auch als CD, App oder Buch. Auch wenn der Kern der Methode gleich ist, braucht es einen Lehrer, mit dem man gut kann, oder bei den Onlinekursen auch eine Stimme, der man gern folgt. Wer etwas tiefer einstiegen will, dem kann ich das Buch von Georg Lolos empfehlen: „Du bist nicht, was du denkst“ (Arkana Verlag, 240 S., 16 Euro). Ich mag seine praktische Art, sich immer wieder zu fragen: Was denke ich gerade? Stimmt das denn überhaupt? Ist das günstig, das zu glauben, oder könnte es auch anders sein? Wie immer ist es ein Übungsweg, ständig falle ich noch in meine Muster und ärgere mich mehr, als ich müsste. Und: Es macht Spaß, sich selbst zu durchschauen und darüber zu lachen. Womit wir beim letzten Punkt sind:

7. Humor

Karl Valentin war ein Meister des Humors: „Wenn es regnet, freue ich mich. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch!“ So wie man durch die Praxis der Achtsamkeit lernt, seine Gedanken zu beobachten, darüber zu lächeln und die unnötigen ziehen zu lassen, so wirkt auch Humor super als eine schnelle Distanzierung vom Stress. Klingt mal wieder leichter gesagt als getan. Und es braucht öfter einen Anschubser von außen. Dadurch, dass ich öfter mal zu spät komme, weil ich mir den Tag viel zu voll packe und Fahrtzeiten grundsätzlich in der Planung vergesse, so als ob ich von Termin A zu Termin B fliegen könnte, muss ich aufpassen, für den entstehenden Stress nicht allen um mich herum die Schuld zuzuschieben. Früher aufbrechen hilft. Und so kam ich neulich schnaufend am Bahnschalter an, hatte den Zug verpasst, und da holte die Mitarbeiterin eine rote Nase aus der Tasche und sagte mir ins Gesicht: „Ich hab mal von jemandem gehört, dass Humor in Stresssituationen hilft!“ Da wurde nicht nur meine Nase sondern mein ganzes Gesicht rot, und dann mussten wir beide lachen. Die Frau hatte mein Bühnenprogramm gesehen. Und da erzähle ich das jeden Abend und biete dem Publikum gegen Spende eine rote Clownsnase als Erinnerungshilfe an. Gut, dass ich die im ganzen Land verteilt habe – dann können Sie mich selbst auch an meine Botschaften erinnern, wenn ich diese vergessen habe – kurzfristig – vor lauter Stress.

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