Bluttest sagt Alzheimer Jahre vor den ersten Symptomen voraus

Zunächst ringen sie um Worte, erinnern sich nicht mehr, schließlich sinken sie ganz ins Vergessen: In Deutschland gelten heute etwa 1,7 Millionen Menschen als demenzkrank. Ungefähr zwei Drittel davon haben Alzheimer, die häufigste Form der Demenz. Weil die Lebenserwartung steigt, wird es im Jahr 2050 voraussichtlich drei Millionen Demenzpatienten geben.

Forscher haben nun einen Test entwickelt, der schon Jahre vor den ersten Symptomen auf eine mögliche Alzheimererkrankung hinweist, berichten sie im Fachblatt „Nature Medicine“. Der Test misst bestimmte Eiweiße, die beim Absterben von Nervenzellen entstehen.

„Normalerweise werden solche Proteine im Blut schnell abgebaut und eignen sich daher nicht sehr gut als Marker“, sagt Mathias Jucker vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Hauptautor der Studie. Ein kleines Stückchen eines sogenannten Neurofilaments zeigte sich jedoch als erstaunlich resistent. Es reicherte sich bereits im Blut von Alzheimerpatienten an, lange bevor die ersten Symptome auftraten.

Daten von mehr als 400 Personen ausgewertet

Genau auf diesem Eiweißstoff basiert der Bluttest. Die Studie geht auf Daten und Proben von 405 Personen zurück, die im Rahmen eines internationalen Forschungsverbunds – dem „Dominantly Inherited Alzheimer Network“ (DIAN) – erhoben wurden. Das Netzwerk untersucht Familien, in denen Alzheimer schon im mittleren Alter auftritt. Anhand genetischer Analysen können Forscher recht genau vorhersagen, ob und wann ein Familienmitglied erkranken wird. An der Studie beteiligt waren auch Experten des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung (HIH), des Universitätsklinikums Tübingen und der Washington University School of Medicine.

Das internationale Forschungsteam untersuchte, wie sich bei den Betroffenen die Filament-Konzentration langfristig entwickelte. Das Ergebnis: Bis zu 16 Jahre vor dem Auftreten erster Demenzsymptome stellten die Forscher erhebliche Veränderungen im Blut der Patienten fest. „Es ist nicht der absolute Wert der Filament-Konzentration, sondern deren zeitliche Entwicklung, die wirklich aussagekräftig ist und Vorhersagen über den weiteren Krankheitsverlauf erlaubt“, sagt Jucker.

In weiteren Tests zeigte sich, dass die Konzentration der Neurofilamente ein Gradmesser für das Absterben von Nervenzellen ist. „Wir konnten Vorhersagen über den Verlust von Hirnmasse und über kognitive Beeinträchtigungen machen, die dann zwei Jahre später tatsächlich eingetreten sind“, sagt Jucker.

Der Test allein reicht jedoch nicht für eine Alzheimer-Diagnose, weil sich die Filamente auch bei anderen Krankheiten im Blut anreichern, beispielsweise bei Multiple Sklerose. Außerdem ist noch unklar, ob die Eiweiße auch eine Alzheimererkrankung vorhersagen können, wenn es keine familiäre Vorbelastung gibt.

„Der Test zeigt aber sehr genau den Krankheitsverlauf an und ist damit ein ausgezeichnetes Werkzeug, um in klinischen Studien neue Alzheimer-Therapien zu erforschen“, sagt Jucker. Die Erkrankung des Gehirns ist bisher unheilbar. Die derzeit verfügbaren Demenz-Medikamente verlangsamen nur das Fortschreiten der Erkrankung, können sie aber nicht aufhalten.

Gefährliche Eiweißablagerungen

Schon zwei Jahrzehnte bevor die Demenz beginnt, verändert sich das Gehirn bei Alzheimer-Patienten. So sammeln sich beispielsweise die Eiweißstückchen Beta-Amyloid an. Diese Eiweiß-Ablagerungen gelten als Hauptursache für Alzheimer, weil sie Nervenzellen zerstören, Entzündungen auslösen und die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen stören können. Wissenschaftler hatten deshalb ein Medikament entwickelt, dass diese Eiweiße wieder auflösen sollte. Allerdings konnte es die Demenz bisher nicht aufhalten (mehr dazu lesen Sie hier).

„Dass es noch keine wirksame Therapie gegen Alzheimer gibt, hängt vermutlich damit zusammen, dass die bisherigen Therapien viel zu spät einsetzen“, sagt Jucker. In solchen Fällen könnte der Bluttest helfen.

Außerhalb von klinischen Studien soll der Test jedoch nicht angewendet werden. Zum einen, weil er keine sichere Diagnose liefert. Zum anderen würden wohl nur die wenigsten Betroffenen Jahre im Voraus wissen wollen, dass sie an Alzheimer erkranken – zumindest solange es kein Heilmittel gibt.

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