Eierstockkrebsfrüherkennung: Frauenärzte unterschätzen oft den Schaden

Nutzen der Eierstockkrebsfrüherkennung wird überschätzt

Gesundheitsexperten zufolge ist Eierstockkrebs gefährlicher als Brustkrebs, da die Sterberate bei erstgenannter Krebsart deutlich höher ist. Der Prävention und Früherkennung kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Doch Forscher meinen, Frauenärzte überschätzen den Nutzen von Eierstockkrebsfrüherkennungsuntersuchungen – und unterschätzen deren Schaden.

Eierstockkrebs gehört zu den aggressivsten Tumoren

„Der Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) gehört zu den aggressivsten Tumoren und ist die zweithäufigste bösartige Erkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane“, schreibt die Deutsche Krebsgesellschaft auf ihrer Webseite. „Die große Gefahr bei dieser Art von Tumor besteht darin, dass er meist sehr spät entdeckt wird, da lange Zeit zunächst keine Symptome auftreten“, so die Experten. Der Früherkennung kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Doch der Nutzen solcher Untersuchungen werde laut Experten überschätzt.

Ärzte halten an medizinischen Maßnahmen ohne Nutzen fest

Wie das Max-Planck-Institut (MPI) für Bildungsforschung in einer Mitteilung schreibt, setzt evidenzbasierte Medizin voraus, dass Ärzte die aktuell beste verfügbare wissenschaftliche Studienlage heranziehen, um gute Behandlungsentscheidung zu treffen.

Doch die bisherige Forschung zeigt, dass dies in der Praxis nicht immer der Fall ist. So halten Ärzte teilweise an medizinischen Maßnahmen fest, die nachweislich keinerlei Nutzen haben und unter Umständen sogar schaden können.

Dies ist auch bei der Eierstockkrebsfrüherkennung der Fall, wie eine Onlinestudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung mit mehr als 400 US-amerikanischen Gynäkologen zeigt.

Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Früherkennung wird von medizinischen Fachgesellschaften nicht empfohlen

In den zurückliegenden Jahren kamen zwei große randomisiert-kontrollierte klinische Studien zu dem Schluss, dass die Eierstockkrebsfrüherkennung kein zusätzliches Leben rettet, aber mit massiven Schäden, wie einer unnötigen Eierstockentnahme bei gesunden Frauen, einhergehen kann.

Laut dem MPI wird die Früherkennung aus diesem Grund von medizinischen Fachgesellschaften nicht empfohlen.

Eine Onlinestudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung mit 401 US-amerikanischen Gynäkologen zeigt, dass knapp 60 Prozent der Ärzte die Früherkennung dennoch empfehlen.

Dabei kennt die Mehrzahl der Frauenärzte den tatsächlichen Nutzen beziehungsweise Schaden der Früherkennung nicht. Eine umfassende Aufklärung der Patientinnen können sie demnach nicht leisten.

Falsche Vorstellungen von der Effektivität

„Nicht nur Patient*innen haben falsche Vorstellungen von der Effektivität von Krebsfrüherkennungen, sondern auch Ärzt*innen“, sagt Erstautorin Odette Wegwarth vom Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

„Eine frühere Studie legt dabei nahe, dass ein Grund hierfür ist, dass viele Ärzt*innen in ihrer Ausbildung nur unzureichend auf die richtige Interpretation der für die Nutzen- und Schadenbeschreibung verwendeten Statistik vorbereitet werden“, so die Wissenschaftlerin.

Ziel der aktuellen Studie war es, zu untersuchen, ob Gynäkologen trotz anderslautender Empfehlung durch die medizinischen Fachgesellschaften die Eierstockkrebsfrüherkennung empfehlen und ob dies mit deren Kenntnisstand zu Nutzen und Schaden der Früherkennung zusammenhängt.

Darüber hinaus untersuchten die Forscher, ob die Frauenärzte fehlerhafte Nutzen- beziehungsweise Schadeneinschätzung revidierten, nachdem sie die aktuelle Evidenz in einer leicht verständlichen Form präsentiert bekamen.

Auch deutsche Ärzte haben einen mangelhaften Kenntnisstand

Laut den Experten zeigte sich, dass ein Großteil der Gynäkologen den Nutzen der Früherkennung überschätzte und den Schaden der Früherkennung massiv unterschätzte. Je nach Frage waren dies 45 bis zu 97 Prozent der Befragten.

Die Fehleinschätzung war besonders bei jenen knapp 60 Prozent der Frauenärzte ausgeprägt, die die Früherkennung routinemäßig empfahlen.

Das Präsentieren einer evidenzbasierten, leicht verständlichen Faktenbox führte dazu, dass 52 Prozent ihre fehlerhaften Schätzungen revidierten; 48 Prozent jedoch nicht.

„Unsere Studie zeigt, dass das Empfehlen von Früherkennungen ohne Nutzen mit einem mangelhaften Wissen zur Evidenz einhergeht“, so Wegwarth.

„Für Ärzt*innen, die offen für evidenzbasierte Medizin sind, können leicht verständliche, übersichtliche Formate der Risikokommunikation Abhilfe schaffen. Alle erreichen wir mit einer transparenten Darstellung aber offenkundig nicht. Die Gründe hierfür gilt es weiter zu erforschen.“

Dass die Studie mit US-amerikanischen Ärzten durchgeführt wurde, bedeute nicht, dass die Problematik nur auf das amerikanische Gesundheitssystem begrenzt ist.

„Wir haben eine fundierte Studienlage dazu, dass auch deutsche Ärzt*innen einen mangelhaften Kenntnisstand haben, wenn es um screeningbezogene Statistik und die Effektivität von Früherkennungen geht“, erklärt Wegwarth.

„Eine Stärkung der evidenzbasierten Medizin in der Praxis ist deshalb nur erreichbar, wenn wir Ärzt*innen bereits in der Ausbildung gut und vor allem praxisnah auf den Umgang mit Statistik vorbereiten“, so die Studienautorin. (ad)

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