Schwerer Start ins Leben

Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Übergewicht bei Kindern eine der entscheidenden Herausforderungen für die Gesundheitsvorsorge im 21. Jahrhundert. Nach den aktuellsten WHO-Statistiken, sie stammen aus dem Jahr 2016, gelten weltweit 41 Millionen Mädchen und Jungen im Alter von bis zu fünf Jahren als übergewichtig. Fast die Hälfte von ihnen stammt aus Asien, ein weiteres Viertel aus Afrika.

Eine aktuelle Studie aus Spanien zeigt nun, welche möglichen Konsequenzen bereits mit frühem Übergewicht verbunden sind. Forschende um Iñaki Galán von der Universidad Autonoma de Madrid berichten in der Fachzeitschrift „European Journal of Preventive Cardiology“, dass Übergewicht schon bei jüngeren Kindern zu einem mehr als zweifach erhöhten Risiko für Bluthochdruck führt.

„Manche Kinderärzte glauben, dass die Folgen von Übergewicht und Fettleibigkeit erst im Jugendalter auftreten, aber unsere Studie zeigt, dass sie sich irren“, wird Galán in einer Mitteilung der European Society of Cardiology zitiert, die die Fachzeitschrift herausgibt. Diese Haltung behindere die Vorbeugung und die Kontrolle dieses Gesundheitsproblems.

Für die Studie waren Daten von mehr als 1500 Kinder im Alter von vier Jahren ausgewertet worden. Sie alle stammten aus der Region Madrid und nahmen an der Langzeitstudie „Longitudinal Study of Childhood Obesity“ (ELOIN) teil. Von ihnen wurden Größe und Geschlecht erfasst sowie die Lebensumstände der Mutter und einige andere Faktoren registriert. Außerdem wurden Gewicht, der Bauchumfang und der Blutdruck bestimmt. Dieselbe Untersuchung erfolgte zwei Jahre später noch einmal.

Verschwindet das Übergewicht, normalisiert sich der Blutdruck

Bei der Definition von Übergewicht setzten die Forscher auf einen für Kinder angepassten Body-Mass-Index (BMI) sowie zusätzlich die Messung des Taillenumfangs. Zöge man nur eines der beiden Maße heran, so Galán, würde man 15 bis 20 Prozent der Fälle nicht erkennen.

Die Datenanalyse zeigte unter anderem, dass das Risiko eines Kindes, das mit vier und sechs Jahren übergewichtig oder fettleibig war, zwei- bis zweieinhalbmal so groß war, an Bluthochdruck zu leiden, wie das eines normalgewichtigen Kindes. Anders sah es bei Kindern aus, deren Werte im Alter von vier Jahren über dem Normalgewicht lagen, die aber mit sechs Jahren kein Übergewicht mehr hatten: Ihre Blutdruckwerte waren mit denjenigen Kindern vergleichbar, die in beiden Altersstufen Normalgewicht hatten. Dieser Zusammenhang war nach Auskunft der Forscher unabhängig von Geschlecht oder sozio-ökonomischem Status.

In einem Kommentar zu der Studie betont Eero Haapala von der Universität Jyväskylä in Finnland, dass Bluthochdruck einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Haapala empfiehlt drei Verhaltensweisen, die das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern:

  • sich genügend zu bewegen,
  • sich gesund zu ernähren und
  • nicht zu rauchen.

Nach dem Ergebnis der aktuellen Studie würden die ersten beiden Empfehlungen auch schon für kleine Kinder gelten. Auch eine ausreichende Menge an Schlaf sei wichtig. Erst kürzlich hatte die WHO erstmals Empfehlungen veröffentlicht, wie viel sich Kleinkinder bewegen sollten.



Galán und Kollegen heben neben der zentralen Rolle der Eltern auch die der Schule hervor. Nötig seien pro Woche drei bis vier Stunden sportliche Aktivitäten auf dem Stundenplan. Außerdem solle das Lehrpersonal auch Aktivitäten in den Pausen im Blick haben. Außerdem seien bewegungsorientierte Angebote der Schulen nach Unterrichtsschluss genauso wünschenswert wie ausgewogene Ernährungsangebote für Hauptmahlzeiten und Snacks.

Martin Hulpke-Wette, der in Göttingen eine Präventionspraxis für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen betreibt und nicht an der aktuellen Studie beteiligt war, hält die Ergebnisse für sehr wichtig: Sie belegten, was er aus seinem Alltag in der Arztpraxis bereits kenne: dass Übergewicht und Bluthochdruck bereits bei Kindern wichtige Faktoren seien, die die Gesundheit beeinträchtigten. „Die Studie ist aufwendig und gut gemacht“, sagt Hulpke-Wette. Lediglich die Blutdruckmessmethode könne zu „Praxisbluthochdruck“ führen, also einem erhöhten Blutdruck, weil der junge Patient aufgeregt ist.

Der Göttinger Kinderarzt sieht im Hinblick auf Übergewicht und Bluthochdruck einen dringenden Handlungsbedarf in der Politik: Viele Lebensmittel, vor allem die speziell für Kinder angebotenen, enthielten zu viel Zucker. Das sei den meisten nicht bekannt. „Ich muss bei jedem Patienten eine Ernährungsberatung machen“, so Hulpke-Wette. Diabetes Typ II werde fast nur durch Fehlernährung ausgelöst und verursache erhebliche Gesundheitskosten.

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